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Bild 1: Eröffnungsrede Prof. Leupertz (Quelle: © bausv.online)
  • 04.06.2025

Nachlese zum 10. DBGT in Hamm (Westfalen)

20 Jahre Baugerichtstag

Im Jahre 2006 tagte der Deutsche Baugerichtstag zum ersten Mal. Am 23./24. Mai 2025 kamen zum zehnten Mal rund 400 Praktiker aus dem Bau- und Vergaberecht sowie dem Bauwesen im Kurhaus Bad Hamm zusammen, um Thesen zu aktuellen Fragestellungen des Baurechts zu diskutieren und um Empfehlungen an den Gesetzgeber auszusprechen. Alle zwei Jahre findet dieses baurechtliche Forum statt, wobei dort stets über aktuelle rechtliche Fragestellungen, Entwicklungen und Herausforderungen im Baurecht in all seinen Facetten intensiv diskutiert wird.

In diesem Jahr wurde praktisch das zwanzigjährige Jubiläum des DBGT ganz unprätentiös begangen. Der Baugerichtstag bietet seit gut zwanzig Jahren eine bedeutende Plattform für den Austausch von Fachleuten, die dem Baurecht beruflich verbunden sind, wie Rechtsanwälten, Richtern, Unternehmens- und Verbandsjuristen, Architekten, Ingenieuren, Bauunternehmen sowie anderen Akteuren aus der Baubranche.

Bild 2: Teilnehmer vor dem Kurhaus Bad Hamm (Quelle: © bausv.online)

 

Nach der Eröffnungsrede des Präsidenten des DBGT e.V., Prof. Stefan Leupertz, begrüßte der Oberbürgermeister der Stadt Hamm, Marc Herter, die Teilnehmer.


Rechtsstaat versus die vier apokalyptischen Reiter der Bürokratie, VUCA und KI

Danach folgte der eindrucksvolle Plenarvortrag von Prof. Dr. Dr. h. c. Barbara Dauner-Lieb, der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen. Sie legte in ihrer Keynote – einem ebenso mutigen wie fundierten Plädoyer für den Rechtsstaat – die Finger in die offenen Wunden unserer Zeit:

Wird der Rechtsstaat die vier apokalyptischen Reiter der Bürokratie  – »Datenschutz, Vergaberecht, Compliance und Brandschutz« – überstehen? Ist der Rechtsstaat ferner bereit für VUCA und KI, die beide große Herausforderungen für das Baurecht mit sich bringen?

So bezeichnet VUCA bezeichnet die Herausforderungen in der von schnellem und unvorhersehbarem Wandel beeinflussten Welt. VUCA steht dabei für die Begriffe Volatility (Volatilität – quantitativ und qualitativ steigende Flüchtigkeit der Lebens- und Unternehmensumwelt), Uncertainty (Unsicherheit in Bezug auf zukünftige Entwicklungen, sodass Prognosen mit hohem Risiko verbunden sind), Complexity (Komplexität – zunehmende Komplexität von Zusammenhängen, Vernetzungen und Interaktionen in der Lebens- und Unternehmensumwelt, verbunden mit zunehmenden Interdependenzen), sowie Ambiguity (Mehrdeutigkeit von Informationen, die zu unterschiedlichen Perspektiven, Interpretationen und Entscheidungen führen kann).

Auch wird Künstliche Intelligenz (KI) das für Bürojobs sein, was die industrielle Revolution für das Handwerk war. KI wird auch bei den Juristen viel verändern, selbst wenn das Baurecht häufig besondere Spezialisierungen erfordert. »Dabei ersticken wir im Bauwesen an Datenschutz und Föderalismus.« Die Juristen sind radikal gefordert, wegzugehen von einem haftungsgetriebenen Denken, weg von »alles muss abgesichert werden«, hin zu einem Denken »wo schaffen wir einen sinnstiftenden Mehrwert für das Gemeinwesen«. »Dann werden wir die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen«, so Prof. Dauner-Lieb.

 

Bild 3: Prof. Leupertz (Quelle: © bausv.online)

 

Bild 4: Stehende Ovationen zum Abschied für Prof. Leupertz (Quelle: © bausv.online)

 

Baurechtlicher Forschungspreis verliehen

Der Baurechtliche Forschungspreis wurde in diesem Jahr gleich an drei Preisträger verliehen. Der Preis wird alle zwei Jahre in den Kategorien Rechtswissenschaftliche Veröffentlichung und Baubetriebliche / Immobilienwirtschaftliche Veröffentlichung vergeben. Der Deutsche Baugerichtstag will damit die Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft fördern und einen Beitrag dazu leisten, das Bau- und Vergaberecht im erforderlichen Rahmen in den Blickpunkt der Wissenschaft zu rücken. Das Preisgeld beträgt insgesamt 10.000,- EUR.

 

Bild 5: Dr. Teigeler erhält den Baurechtlichen Forschungspreis 2025 (Quelle: © bausv.online)

 

In diesem Jahr erhielt Dr. Kira-Therese Teigeler für Ihre Dissertation »Die Instandhaltung als Bauvertrag nach § 650 a Abs. 2 BGB« den renommierten Baurechtlichen Forschungspreis, den sie sich mit zwei weiteren Preisträgern teilt.


Die eigentliche Arbeit des Baugerichtstags erfolgte sodann in den Arbeitskreisen.

In diesem Jahr tagte die Arbeitskreise I (Bauvertragsrecht) und VI (Sachverständigenrecht) gemeinsam zu den Anerkannten Regeln der Technik zu deren Neudefinition zur Nachweisbarkeit. Ferner tagten der Arbeitskreis II (Vergaberecht) zur Transformation des Vergaberechts sowie der Arbeitskreis III (Bauprozessrecht) zu einem Update für den Bauprozess mit Überlegungen zu dessen Digitalisierung. Weiter tagten der Arbeitskreis IV (Architekten- und Ingenieurrecht) zu gesetzlichen Regelungen zur Präzisierung des Inhalts und Umfangs der Überwachungspflicht von Architekten und Ingenieuren, der Arbeitskreis X (Baubetrieb) zu den tatsächlich erforderlichen Kosten des § 650 c BGB und zu praktikablen Möglichkeiten zu deren Definition, der Arbeitskreis XII (Verbraucherbaurecht) zum Verbraucherschutz beim Bauvertrag und Bauträgervertrag. Alle Thesen finden Sie hier.

Der Baugerichtstag kam in diesem Jahr genau zur richtigen Zeit. Denn der Koalitionsvertrag 2025 der neu angetretenen Regierungskoalition soll wesentliche Neuerungen und Vereinfachungen für das Baurecht mit sich bringen.

Ab Zeile 703 des Koalitionsvertrags 2025 finden sich die Ziele der neuen Regierungskoalition zum Bauen und Wohnen für die aktuelle Legislaturperiode. Neben einer Novellierung des Baugesetzbuchs soll eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens erfolgen. Die Städtebauförderung soll modernisiert und vereinfacht sowie Innovationen gefördert werden. Weiter heißt es:

»Dazu sollen Baustandards vereinfacht und der Gebäudetyp E abgesichert werden. Die Bindungswirkung von Normsetzungen durch Selbstverwaltungsorganisationen wird überprüft und auf ein sicherheitsrelevantes Maß zurückgeführt. Um den Gebäudetyp E zivilrechtlich zu ermöglichen, wird eine gesetzliche Verknüpfung mit den technischen Baubestimmungen der Länder vorgenommen. Das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik stellt künftig keinen Mangel mehr dar. Die unabhängige Stelle zur Kostenfolgeprüfung von DIN-Normen wird eingesetzt. Durch serielles, modulares und systemisches Bauen heben wir Beschleunigungspotenziale.«

 

Bild 6: Sitzung der Arbeitskreise I + VI (Quelle: © bausv.online)

 

Die gemeinsam tagenden Arbeitskreise I (Bauvertragsrecht) und VI (Sachverständigenrecht) befassten sich mit der praxisrelevanten Frage, wie künftig mit Mängeln im Zusammenhang mit anerkannten Regeln der Technik umzugehen ist. Geleitet wurde die gemeinsame Sitzung durch VRiOLG Dr. Tobias Rodemann, Düsseldorf und unserem Beirat Prof. Matthias Zöller, Neustadt a.d.W. Die Impulsvorträge zu den Thesen kam von zwei Referenten: Prof. Dr. Wolfgang Voit, Marburg und Rechtsanwalt Dr. Marc Steffen. Weitere leitende Mitwirkende waren Rechtsanwalt Michael Halstenberg, Düsseldorf, und Dipl.-Ing. Ingo Kern, Heilbronn.

Beruhigend ist, dass nach intensiver Diskussion mit überwiegender Mehrheit empfohlen wurde, dass allein die Abweichung von technischen Regeln ohne Beeinträchtigung der Funktionalität oder der Gebrauchsfähigkeit während der intendierten Gebrauchsdauer keinen Mangel begründet. Bei Abweichung von üblichen Komfort- und Qualitätsstandards ohne Qualitätsbeeinträchtigung begründet auch dies keinen Mangel, soweit der Besteller die Planung übernommen hat und die Ausführung hierauf beruht. Hierzu wurden weitere detaillierte Empfehlungen ausgesprochen, die inzwischen online veröffentlicht sind.

Die Empfehlungen zu den Thesen aus den Arbeitskreisen I/VI des 10. DBGT finden Sie hier.

 

Wechsel an der Spitze: Prof. Dr. Heiko Fuchs ist neuer Präsident des DBGT

Außerdem gab es personelle Veränderungen an der Vereinsspitze des Deutschen Baugerichtstags: Die im Anschluss an die Tagung durchgeführte Mitgliederversammlung wählte Rechtsanwalt Prof. Dr. Heiko Fuchs, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Mönchengladbach/Köln, einstimmig zum neuen Präsidenten des Deutschen Baugerichtstags. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit lehrt Prof. Fuchs an der juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf das Bauvertragsrecht. Er ist Herausgeber und Autor zahlreicher baurechtlicher Veröffentlichungen und hat schon seit vielen Jahren in unterschiedlichen Arbeitskreisen beim Deutschen Baugerichtstag mitgewirkt. Seit 2018 leitete er den Arbeitskreis IV „Architekten- und Ingenieurrecht“. Prof. Dr. Fuchs erklärte, dass er das Amt des Präsidenten mit deutlichem Respekt vor der Leistung seiner Vorgänger Prof. Dr. Kniffka und Prof. Leupertz antreten werde.

Prof. Fuchs übernahm den Staffelstab von Prof. Stefan Leupertz, der sich nach dreizehn Jahren an der Spitze des Vereins nicht mehr erneut zur Wahl gestellt hatte. Prof. Leupertz war bereits zuvor vom Plenum mit stehenden Ovationen verabschiedet worden. In seine Amtszeit fielen u.a. die Gründung mehrerer Arbeitskreise sowie eine intensive Mitwirkung an den Erörterungen des Gesetzgebers, die zur Verabschiedung des gesetzlichen Bauvertragsrechtes im Bürgerlichen Gesetzbuch geführt haben. Aufgrund seiner herausragenden Leistungen für den Deutschen Baugerichtstag wurde Prof. Leupertz die Ehrenmitgliedschaft verliehen.

Neu in den Vorstand gewählt wurde die Präsidentin des OLG Hamm, Frau Gudrun Schäpers. Sie war bereits beim 9. und 10. Deutschen Baugerichtstag als Arbeitskreisleiterin des Arbeitskreises Bauprozessrecht tätig und hatte hier maßgebliche Impulse für die Überlegungen zur Digitalisierung des Bauprozesses gegeben. Im Übrigen wurden die bisherigen Vorstandsmitglieder in ihren Ämtern bestätigt.

Weitere Informationen und Bildmaterial dazu finden Sie hier auf der Internetseite des DBGT.

 

Der 11. Deutsche Baugerichtstag wird 2027 wieder in Hamm stattfinden.

 

Die Redaktion ©bausv.online

 

Deutscher Baugerichtstag e.V.
Heßlerstraße 47
59065 Hamm
Telefon: 02381 920 80-19
Telefax: 02381 920 80-10
E-Mail: info@baugerichtstag.de
Internet: https://baugerichtstag.de


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