Das Bild zeigt einen großen Konferenzraum mit vielen Teilnehmern, die an Tischen sitzen. Im Hintergrund ist eine große Leinwand zu sehen, auf der eine Präsentation läuft. Die Wände sind mit akustischen Paneelen verkleidet und in grünem Licht beleuchtet. AIBau GmbH
Tagung der 51. Aachener Bausachverständigentagen 2025 (© AIBau GmbH)
  • 03.06.2025

Abdichtungen, Dächer, Beton und mehr

Nachlese zu den 51. Aachener Bausachverständigentagen 2025

Die 51. Aachener Bausachverständigentage fanden am 07./08. April 2025 statt. Bei bestem Wetter wurden wieder zwei Tage voller spannender Vorträge und Diskussionen im Aachener Eurogress geboten, mit denen sich Sachverständige aller baulichen Fachrichtungen vor Ort sowie online fortbilden konnten. Die Tagung befasste sich mit aktuellen Entwicklungen und neuen Forschungsergebnissen auf den Gebieten Bautechnik und Bauphysik des Hochbaus und behandelte darüber hinaus baupraktisch relevante Fragen der Rechtsprechung.

 

Im Rahmen der Begrüßung würdigte Prof. Dipl.-Ing. Matthias Zöller vom AIBau zunächst das Wirken des am 26. Januar 2025 im Alter von 98 Jahren verstorbenen Dr.-Ing. Helmut Künzel, Bauphysiker und ehemaliger Leiter der Fraunhofer IBP Außenstelle Holzkirchen. Im Anschluss an den obligatorischen Tätigkeitsbericht des AIBau ging es dann mit zwei juristischen Fachvorträgen direkt ans Eingemachte.

Die Kommunikation zwischen Gerichten und Sachverständigen ist ein überaus praxisrelevantes Thema. Hierzu referierte unser Beirat Dr. iur. Mark Seibel, Vizepräsident des LG Siegen, und unterbreitete zugleich auch Vorschläge zur Verbesserung. Dabei wurde eingangs nicht mit mahnenden Worten zur Zukunft der Sachverständigen gespart: Die Bestellungskörperschaften sollten dringend etwas dahingehend unternehmen, keine Sachverständigen zu verlieren, z.B. einem fachlich absolut qualifizierten Handwerksmeister den Rundstempel zu versagen, nur weil er »sprachlich« nicht ganz so gewandt sei. Zur Kommunikation gehöre es im Rahmen der Pflichten des Sachverständigen nach §§ 404a, 407, 407a ZPO aber auch, bei Rückfragen Kontakt zum Gericht aufzunehmen. Damit könne zudem der »Bumerang der Befangenheit« vermieden werden. Sachverständige sollten sich um neutrale Kommunikation bemühen und sich z.B. bei Schwierigkeiten bei der Terminfindung für Ortstermine durch das Gericht unterstützen lassen. Möglich sei dies durch drei konkrete Terminvorschläge mit Verhinderungsnachweis der Parteivertreter.

Danach erörterte Jan Spoenle, Richter am OLG Stuttgart, die Digitalisierung der Justiz aus Sicht der Sachverständigen. Den Kern der Betrachtung lieferten Hinweise zum elektronischen Rechts-Verkehr (ERV), wobei die Nutzung von »mein Justizpostfach« als kostenloser Browser-Anwendung mit Verschlüsselungsmöglichkeiten empfohlen wurde. Neben der Videoverhandlung ging es dann um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Justiz. Das OLG Stuttgart musste sich im Rahmen der Dieselskandal-Prozesse mit einer sprunghaften Vervielfachung der Prozesszahlen auseinandersetzen: während es früher »nur« 8.000 neue Verfahren pro Jahr gab, waren es plötzlich zehnmal so viele, ohne dass sich die Zahl der Richter entsprechend erhöhte. Auch sei der Einsatz von KI auf Klägerseite spürbar gewesen; so seien – offenbar mit KI-Unterstützung generierte – Schriftsätze von 127 Seiten und mehr keine Seltenheit. Dieser Entwicklung konnte die Justiz durch Entwicklung einer KI-Lösung begegnen, die die Richter bei der Ordnung und Vorbereitung des Prozessstoffs unterstützt. Auch Sachverständige müssten sich daher zwangsläufig mit diesem Thema befassen, wenn sie Gerichtsakten zur Gutachtenerstellung erhalten.

Danach ging es weiter mit einem Überblick zu Neuerungen in technischen Regelwerken von Dipl.-Ing. Géraldine Liebert, saSV für Schall-/Wärmeschutz, AIBau gGmbH, Aachen. Danach standen PV-Anlagen auf Flachdächern im Fokus der Betrachtung. Dipl. Phys. Edith Antonatus erörterte die Herausforderungen für den Brandschutz und Dipl.-Ing. (FH) Jochen Kirch, ö.b.u.v. SV für Photovoltaik und Ladeinfrastruktur, stellte die Anforderungen an Untergründe, Abstände untereinander, zu Rändern sowie zu Aufbauten dar.

Weitere Themen waren die »Alleskönner« Unterdeckbahnen: UDB-eA, Chancen und Grenzen (Arne Witzke, DDM, Anwendungstechniker), ein Update zu den Abdichtungsnormen DIN 18531 – DIN 18534 (Jan Bredemeyer, ö.b.u.v. SV Wärme-, Feuchteschutz und Abdichtung, Obmann DIN 18534), das neue WTA Merkblatt MB-4-6 zu DIN 18533 Ausführungen zur praktischen Anwendung neuer Stoffe von Dipl.-Ing. Stephan Keppeler, WTA-Arbeitsgruppenleiter 4.6. In seinem Fallbeispiel zur verfehlten Rutschhemmung erklärte Dipl.-Ing. Mario Sommer die Besonderheiten feuchter Beläge: was geht, was nicht?

Der erste Veranstaltungstag endete wie immer mit dem traditionellen Treffen im Foyer des Eurogress, das wie immer bei Erfrischungsgetränken und kleinen Leckereien einen zwanglosen Austausch und intensives Netzwerken im Kollegenkreis ermöglichte.

Auch am zweiten Tag gab es zahlreiche Vortrags-Highlights. Den Anfang macht Paola Messer von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen mit einem Vortrag zu bauordnungsrechtlichen Anforderungen: Wann sind bei Abweichungen keine Anträge erforderlich?

Danach folgte das Fallbeispiel von Dipl.-Ing. Ingo Kern zur Baugefährdung nach § 319 StGB. Bei den meisten linienförmig eingespannten Verglasungen fehle der lastabtragende Handlauf nach DIN 18008, mit Nachweis Pendelschlag, abP und Statik. In einer Systemstatik der Hersteller sei oft der Anschluss ans Gebäude nicht enthalten. Die Systemstatik sei zudem kein objektbezogener Nachweis. Zu den Nachweisen und Besonderheiten eingespannter Brüstungsverglasungen und Vordächer folgen Ausführungen von Dr.-Ing. Barbara Sievert, ö.b.u.v. Sachverständige für Glasbau. Für Überkopfverglasung sei VSG aus TVG sinnvoll. Man muss sich die Festigkeit der Baustoffe ansehen und bei Glas die Resttragfähigkeit. Hilfreich sind hier bauaufsichtliche Prüfzeugnisse. Zu prüfen sind immer der Stoßnachweis und die Lastabtragung. (Eingespannte) Brüstungen und Vordächer müssten geplant werden. Es gebe dafür seit Langem mit der DIN 18008 eine Bemessungsnorm. Der Aufwand werde aber sehr oft unterschätzt oder die erforderlichen Planungsschritte seien oftmals gar nicht bekannt. »Die Tücke steckt im Detail": kleine Änderungen könnten sehr unangenehme Konsequenzen haben!

Besonders gespannt waren wir auf den Vortrag von Dipl.-Ing. Jörg Brandes, Chemiker und ö.b.u.v. Sachverständiger für Schadstoffe in Innenräumen zur objektivierten Feststellung von Gerüchen: Riecht es noch oder stinkt es schon? Hausaufgabe für die Teilnehmer war, zu Hause einmal oben über ihren Schrank zu wischen. Wenn man dort Staub finden würde-solle man diesen zwischen den Fingern zerreiben und daran riechen. In den meisten Fällen würde das süßlich riechen wie Parfum. Woher das komme, sei aber noch Gegenstand der Forschung. Danach erläuterte Dipl.-Biol. Nicole Richardson, ö.b.u.v. SV für Innenraumschadstoffe und Schimmelpilze, den praktischen Umgang mit Gefahr-/ Schadstoffen (KMF, Asbest, PAK, PCB & Co.): Was kann wie bleiben?

Danach ging es um das aktuelle Thema Beraten und Bewerten von kostengünstigem Bauen. Im Dialog diskutierten unsere Beiräte Dr. iur. Mark Seibel, Vizepräsident LG Siegen, und Prof. Matthias Zöller, Dipl.-Ing. Architekt, ö.b.u.v. SV für Schäden an Gebäuden, AIBau gGmbH, den Gebäudetyp E. Wie funktioniert die wirksame Reduzierung von Anforderungen zur Senkung von Baukosten? Was ist der Mindeststandard? Beide berichteten, was es hierzu aktuell Neues aus den Koalitionsverhandlungen gab: Da »verrutsche« gerade so einiges… Baustandards sollen vereinfacht und der Gebäudetyp E abgesichert werden. Die Bindungswirkung von Normsetzungen durch Selbstverwaltungsorganisationen werde überprüft und auf ein sicherheitsrelevantes Maß zurückgeführt. Um den Gebäudetyp E zivilrechtlich zu ermöglichen, solle eine gesetzliche Verknüpfung mit den Technischen Baubestimmungen der Länder vorgenommen werden. Die unabhängige Stelle zur Kostenfolgeprüfung von DIN-Normen werde eingesetzt. Ungläubiges Staunen im Auditorium löste aber die Ankündigung aus, dass das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik künftig keinen Mangel mehr darstellen solle.

Im Anschluss folgte noch ein Vortrag von Dr. Peter Hettenbach, zu der Frage, wie viel Wärmeschutz ist zukünftig (nicht mehr) sinnvoll?

 Nach der Mittagspause ging es dann in den Endspurt! Dr.-Ing. Warkus, Sachverständiger für Betontechnologie und Betoninstandsetzung sowie für Schäden an Gebäuden beantwortet die Frage, ob wir angesichts von Betonbrückenschäden und -einstürzen höhere Standards brauchen. Seine Zusammenfassung: Ziel der Regelwerke und Prüfungen sei das Erkennen von bereits vorhandenen Schäden. Es seien jedoch keine Untersuchungen vorgesehen, um Schadenspotentiale während der Einleitungsphase aufzuklären. Schadensmechanismen, die im Inneren des Bauwerkes ablaufen werden nur durch Inaugenscheinnahme und handnahe Prüfung nicht oder zu spät erkannt. Seine Schlussfolgerung: Die Anwendung der DIN 1076 sei allein nicht ausreichend für eine nachhaltigen Prüfung von Brücken. Vielmehr sind vertiefende Prüfungen und Untersuchungen technisch und wirtschaftlich sinnvoll - auch wenn noch keine Schäden erkennbar sind.

Im Anschluss folgen noch Beiträge von Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach von der RWTH Aachen zu den Auswirkungen von neuen klimafreundlichen Bindemitteln für Beton auf den Korrosionsschutz für die Bewehrung sowie von Ing. Marco Martinz zur Beseitigung von Kratzern in Fenstergläsern.

 

© AIBau GmbH

 

Es war wieder eine hochkarätige, kurzweilige und sehr informative Veranstaltung. Nach einer lebendigen Podiumsdiskussion zum Schluss folgte noch ein wichtiger Hinweis: Alle Beiträge können auch noch in der Mediathek noch einmal angesehen werden. Die nächsten 52. Aachener Bausachverständigentage finden am 27. und 28. April 2026 statt. Wir werden wieder mit dabei sein.

 

Die Redaktion »Der BauSV«

 

AIBau GmbH
Geschäftsstelle Aachen
Theresienstraße 19
52072 Aachen // Germany
Telefon: 0241 910507-0
Telefax: 0241 910507-20
E-Mail: info@aibau.de
Internet: www.aibau.de


BauSV-APP

zur Informationsseite BauSV-App/BauSV-E-Journal

Die Zeitschrift »Bausachverständige« gibt es auch digital für Tablet und Smartphone.

mehr Informationen

NEWSLETTER

Der BauSV-Newsletter bietet Ihnen alle zwei Monate kostenlos aktuelle und kompetente Informationen aus der Bausachverständigenbranche.

zur Newsletter-Anmeldung

Zurück zum Seitenanfang