• 25.11.2025

Rechtsprechungstipp: Vergütung für geänderte oder ergänzende Werkleistungen im Rahmen eines Bauvertrags

Leitsatz

1. Haben die Parteien eines VOB-Bauvertrags sich darauf geeinigt, dass die vertraglichen Leistungen nach Einheitspreisen abzurechnen sind (Einheitspreisvertrag), ist auch die Vergütung für geänderte oder ergänzende Werkleistungen grundsätzlich nach Einheitspreisen abzurechnen.

2. Das gilt auch dann, wenn die Parteien im Bauvertrag vorsorglich Taglohnarbeiten dem Grunde nach ohne Zuordnung einer Bauleistung vereinbart haben; diese betreffen bei einem Einheitspreisvertrag lediglich ergänzende zusätzliche Arbeiten in einem geringen Umfang, bei denen der Stunden- und/oder Material- und Geräteaufwand schwer abschätzbar ist.


Aus den Gründen

Gemäß § 2 Abs. 10 VOB/B bzw. Ziff. 12.1 der Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten werden Stundenlohnarbeiten nur vergütet, wenn sie als solche vor ihrem Beginn ausdrücklich vereinbart worden sind. Geschieht dies nicht oder bleibt der Auftragnehmer den Nachweis einer solchen Vereinbarung schuldig, müssen die Leistungen im VOB-Vertrag grundsätzlich nach Einheitspreisen abgerechnet werden.

Gemessen hieran durfte die Klägerin die von ihr ausgeführten Nachtragsleistungen nicht unter Position 2.60 der Schlussrechnung im Stundenlohn abrechnen. Denn es ist weder erst- noch zweitinstanzlich bewiesen, dass die Parteien für diese Arbeiten eine Abrechnung nach Regiekosten bzw. im Taglohn (zuvor) vereinbart haben. Die Beklagte hat eine solche Abrede bestritten. Beweis für die Richtigkeit ihres Vortrags hat die Klägerin entgegen ihrem Vortrag in der Replik nicht angeboten.

Auch zweitinstanzlich geschieht dies nicht. Aus den Angaben ihres Geschäftsführers anlässlich seiner informatorischen Anhörung vor dem Erstgericht ergibt sich nicht, dass die Beklagte mit einer Abrechnung im Stundenlohn einverstanden war. Die Klägerin ist damit für ihr Vorbringen, wie das Landgericht richtig festgestellt hat, beweisfällig geblieben.

Nichts anderes gilt, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass die – unstreitig von der Beklagten gestellten – VOB/B bzw. Besonderen Vertragsbedingungen nur unvollständig bzw. mit wesentlichen Abweichungen in den streitgegenständlichen Bauvertrag einbezogen worden sind und die Bestimmungen des § 2 Abs. 10 VOB/B bzw. Ziff. 12.1 der Besonderen Vertragsbedingungen nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam wären. Dies hätte nicht zur Folge, dass die Klägerin berechtigt wäre, ihre Arbeiten im Stundenlohn (§ 15 VOB/B) gegenüber der Beklagten abzurechnen.

Die Vergütung für Nachtragsleistungen bestimmt sich, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, im VOB-Vertrag im Ausgangspunkt nach den § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B. Soweit den Leistungen eine Änderung des ursprünglichen Bauentwurfes im Sinne von § 1 Abs. 3 VOB/B zugrunde liegt, ist der Preis, über dessen Bemessung die Parteien nach den landgerichtlichen Feststellungen keine Einigung erzielt haben, nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu ermitteln, zumal ein anderes übereinstimmendes, stillschweigendes Verständnis der Parteien von der Vertragsklausel des § 2 Abs. 5 VOB/B im Hinblick auf Maßstab für die Bestimmung eines neuen Einheitspreises, etwa im Sinne einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung, sich nicht feststellen lässt.

Für zusätzliche Nachtragsleistungen ist die Höhe der Vergütung gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung zu bestimmen. Nach überkommener Auffassung wird dies dahin verstanden, dass die Höhe der Zusatzvergütung durch Fortschreibung der Preisvereinbarung für den Bauvertrag zu ermitteln ist; andere halten es im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08. August 2019 zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B (Az. VII ZR 34/18) für richtig, den neuen Preis nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu bemessen, wenn sich – wie hier – nicht feststellen lässt, dass die Parteien der Klausel übereinstimmend einen Maßstab der Preisbestimmung im Wege der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung entnehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Februar 2024 – I-22 U 98/23 –, Rn. 30 m.w.N., juris).

Diesen Anforderungen ist die Klägerin – unabhängig davon, welcher Ansicht man im Hinblick auf § 2 Abs. 6 VOB/B folgt und ob diese Regelung einer isolierten Inhaltskontrolle standhielte – durch die Abrechnung ihrer Nachtragsarbeiten unter 2.60 im Wege des Stundenlohns nicht gerecht geworden. Die Parteien haben sich nämlich mit dem Abschluss eines Einheitspreis-Werkvertrags darauf geeinigt, dass die vertraglichen Leistungen grundsätzlich nach Einheitspreisen abzurechnen sind.

Vor diesem Hintergrund ist bei der Vergütung für geänderte Leistungen gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B die Vertragslücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahin zu füllen, dass auch die Vergütung für geänderte Leistungen anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge nach Einheitspreisen zu bemessen ist. Es ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist der hypothetische Parteiwille Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts, sodass darauf abzustellen ist, was die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten.

Wenn die Parteien schon für die ursprüngliche Leistung eine Vergütung nach Einheitspreisen vereinbart haben, hätten sie, wenn sie die Regelung der Vergütung für geänderte Leistungen bei Abschluss des Bauvertrags bedacht hätten, ohne das Vorliegen besonderer Umstände, die hier weder vorgetragen noch ersichtlich sind, auch für diese eine Abrechnung nach Einheitspreisen vereinbart. Beide Parteien haben bei Abschluss eines Bauvertrags ein Interesse daran, durch eine möglichst einheitliche Abrechnung des gesamten Vertrags Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Abrechnungsarten zu vermeiden.

Nichts anderes gilt für § 2 Abs. 6 VOB/B, wenn auch insoweit eine Vertragslücke angenommen werden würde. Auch hier wäre im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung anzunehmen, dass die Parteien sich in der gleichen Preisart wie ursprünglich vereinbart bewegt hätten, um eine Abgrenzung der erbrachten Leistungen und deren Abrechnung zu erleichtern. Wenn davon ausgegangen wird, dass § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B eine ausreichende Regelung für die Vergütung zusätzlicher Leistungen beinhaltet, richtet sich die Vergütung für die zusätzliche Leistung nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und damit nach den ursprünglich vereinbarten Einheitspreisen. Hinzu kommen dann die besonderen Kosten der geforderten Leistung. Danach sind die Leistungen, wenn und soweit für diese aus der Urkalkulation des ursprünglichen Vertrags kein Preisanteil entnommen werden kann, mit den erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge in die neu zu bildenden Einheitspreise einzukalkulieren.

Im Übrigen ist es nach den langjährigen Erfahrungen des Senats absolut unüblich, so umfangreiche Leistungen wie im vorliegenden Fall bei einem Neubau / Umbau, die einer Abrechnung nach Einheitspreisen unschwer zugänglich sind, im Stundenlohn abzurechnen. Üblicherweise im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB werden solche Bauvorhaben mit Pauschalpreisen oder Einheitspreisen abgerechnet. Dafür spricht im Streitfall maßgeblich auch, dass die Parteien für die übrigen Leistungen eine Abrechnung nach Einheitspreisen vereinbart haben. Zwar haben die Parteien auf Seite 15 des LV Taglohnarbeiten dem Grunde nach vereinbart; diese betreffen üblicherweise aber lediglich zusätzlichen Arbeiten in einem geringen Umfang, bei denen der Stunden- und/oder Material- und Geräteaufwand schwer abschätzbar ist und deshalb nur schwer Einheitspreise gebildet werden können.


OLG Stuttgart, Urteil vom 12.08.2025, Az. 10 U 149/24


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