BauSV 5/2023


Sachverständigenrecht


Mark Seibel


Die Bedeutung des Auslagenvorschusses für den Vergütungsanspruch des Gerichtssachverständigen

Achtung: Kostenfalle § 8a Abs. 4 JVEG!


Unser Beirat Dr. Mark Seibel beschäftigt sich in diesem Beitrag mit einem für Gerichtssachverständige praktisch äußerst wichtigen Thema: der Bedeutung des vom Gericht in aller Regel zusammen mit der Auftragserteilung mitgeteilten Auslagenvorschusses für den späteren Vergütungsanspruch. § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO und § 8a Abs. 4 JVEG sind die zentralen Vorschriften, die Gerichtssachverständige unbedingt kennen und beachten müssen.

Wie der Autor aus eigener beruflicher Erfahrung bestätigen kann, wird von Gerichtssachverständigen nach der Gutachtener stattung nicht selten eine Rechnung bei Gericht eingereicht, die den Auslagenvorschuss deutlich übersteigt, ohne dass zuvor auf das Überschreiten des Vorschusses hingewiesen worden wäre. Dieser vermeidbare Fehler kann Gerichtssachverständige teuer zu stehen kommen.

Ziel der folgenden Ausführungen ist es daher, Gerichtssachverständige für diese in der Praxis immer wieder aufkommende Problematik zu sensibilisieren und eine Hilfestellung zum richtigen Umgang mit § 8a Abs. 4 JVEG zu geben.

I. Gesetzliche Vorgaben: § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO, § 8a Abs. 4 JVEG §

407a Abs. 4 Satz 2 ZPO bestimmt (im Folgenden wird nur der für das hier behandelte Thema relevante Gesetzeswortlautn zitiert):

»Erwachsen voraussichtlich Kosten, die … einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, so hat der Sachverständige rechtzeitig hierauf hinzuweisen.«

§ 8a Abs. 4 JVEG regelt ergänzend:
»Übersteigt die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich und hat der Berechtigte nicht rechtzeitig nach § 407a Absatz 4 Satz 2 der Zivilprozessordnung auf diesen Umstand hingewiesen, erhält er die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses.«

Diese für den Vergütungsanspruch äußerst wichtigen Vorschriften werden von Gerichtssachverständigen in der Praxis leider immer wieder missachtet.


II. Zivilgerichtliche Hinweise gegenüber Gerichtssachverständigen (Land NRW)

Das ist erstaunlich, weil Gerichtssachverständige z.B. von den Zivilgerichten des Landes NRW zusammen mit der Auftragserteilung durch das derzeitige Formular ausdrücklich (neben vielen anderen Aspekten) auf Folgendes hingewiesen werden:

»… 3. Honorar/Kosten:
Bitte prüfen Sie ferner, welche Kosten voraussichtlich für das Gutachten entstehen werden. Sollten voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes stehen oder den Betrag von x.xxx,xx EUR [Anm. des Autors: hier steht dann der konkrete Auslagenvorschussbetrag] erheblich übersteigen, bitte ich Sie, dem Gericht (nicht den Parteien) umgehend die ermittelte Höhe der Kosten mitzuteilen und von einer Bearbeitung vorerst abzusehen. Dies gilt auch, wenn Sie erst im Laufe Ihrer weiteren Tätigkeit erkennen, dass höhere Kosten entstehen werden als zunächst angenommen.

Wird der Auslagenvorschuss erheblich überschritten, ohne dass Sie hierauf rechtzeitig nach § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO hingewiesen haben, steht Ihnen gemäß § 8a Abs. 4 JVEG nur eine Vergütung in Höhe des Auslagenvorschusses zu.

Ihr Anspruch auf Vergütung erlischt gemäß § 2 JVEG, wenn Sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Gutachtens einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Die Frist kann auf Ihren begründeten Antrag hin verlängert werden.

Bitte denken Sie bei Ihrer Abrechnung auch daran, Ihre einzelnen erbrachten Leistungen nach dem tatsächlichen Aufwand jeweils minutengenau anzugeben. Bei den Einzeltätigkeiten ist eine Schätzung des Aufwands nicht zulässig. …«


III. Beispiel

Folgendes Beispiel verdeutlicht ein im beruflichen Alltag des Autors regelmäßig auftretendes Problem:

Der Gerichtssachverständige erhielt den Auftrag zur Erstattung des Gutachtens zusammen mit dem (jedenfalls in der Zivilgerichtsbarkeit des Landes NRW) üblichen gerichtlichen »Beipackzettel« (dazu oben: II.), in dem u.a. unmissverständlich sowohl auf die Höhe des eingezahlten Auslagenvorschusses als auch darauf hingewiesen wurde, dass der Gerichtssachverständige bei der Überschreitung des Auslagenvorschusses dem Gericht unverzüglich Mitteilung zu machen und die Gutachtenerstellung zunächst einzustellen hat. Die Höhe des eingezahlten Vorschusses betrug 10.000 Euro.

Zusammen mit dem Gutachten reichte der Gerichtssachverständige später eine Rechnung in Höhe von 15.000 Euro ein. Auf die Überschreitung des Vorschusses wies der Gerichtssachverständige zu keinem Zeitpunkt hin. Der Anweisungsbeamte des Gerichts verweigerte die vollständige Bezahlung der Rechnung und stellte unter Hinweis auf § 8a Abs. 4 JVEG eine Zahlung (lediglich) in Höhe von 10.000 Euro in Aussicht. Der Gerichtssachverständige ist damit nicht einverstanden und beantragt nun nach § 4 Abs. 1 JVEG die richterliche Festsetzung der ihm zustehenden Vergütung auf 15.000 Euro.

Für den Richter, der für die Entscheidung nach § 4 Abs. 1 JVEG zuständig ist, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen ein Verstoß des Gerichtssachverständigen gegen seine Pflichten gemäß § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO, § 8a Abs. 4 JVEG hat und welche Vergütung im Beispielsfall richterlich festgesetzt werden soll: 10.000 Euro, 15.000 Euro oder etwas anderes?


IV. (Klarer) Wortlaut von § 8a Abs. 4 JVEG und (klarer) Gesetzgeberwille

Der Wortlaut von § 8a Abs. 4 JVEG besagt unmissverständlich, dass der Gerichtssachverständige im Fall des erheblichen Überschreitens des Auslagenvorschusses bei Verletzung seiner Hinweispflicht nach § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO »die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses« erhält.
Der Gesetzgeberwille bei der Einführung von § 8a Abs. 4 JVEG ist ebenfalls eindeutig. In BT-Drs. 17/11471 (neu), S. 260 (linke Spalte), wird ausgeführt:

»Die Absätze 3 und 4 [Anm. des Autors: von § 8a JVEG] sollen die Fälle regeln, in denen der Sachverständige pflichtwidrig gegen die Verpflichtung aus § 407a Absatz 3 Satz 2 ZPO [Anm. des Autors: jetzt § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO] verstößt, indem er es unterlässt, rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass voraussichtlich Kosten erwachsen, die […] einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Hat das Gericht jedoch dem Sachverständigen die Zahlung eines Kostenvorschusses in einer bestimmten Höhe ohne weitere Hinweise mitgeteilt, kann der Sachverständige unterstellen, dass das Gericht von der Verhältnismäßigkeit dieses Betrags ausgeht.

… Wenn die Vergütung einen angeforderten Vorschuss erheblich übersteigt, soll sie mit dem Betrag des Vorschusses gekappt werden. Dadurch soll aber keine generelle Kappungsgrenze für jede Überschreitung des Vorschusses geschaffen werden, sondern nur für Fälle des erheblichen Übersteigens. Die Literatur nimmt Erheblichkeit erst bei einer um zwanzig Prozent übersteigenden Vergütung an (Zöller/Greger, 25. Auflage, § 413 ZPO, Rn. 6).

Der vorgeschlagene Absatz 5 [Anm. des Autors: von § 8a JVEG] soll ein Verschuldenserfordernis in den Fällen der Absätze 3 und 4 festlegen. Dadurch soll dem Berechtigten ermöglicht werden, sich auf ein mangelndes Verschulden berufen zu können, um die Rechtsfolge der Vergütungsminderung nicht eintreten zu lassen. Systematisch wird ein Verschulden generell vermutet, so dass es dem Berechtigten obliegt, mangelndes Verschulden darzulegen. Als Verschuldensmaßstab soll Vorsatz und Fahrlässigkeit genügen.«

Sowohl nach dem klaren Wortlaut von § 8a Abs. 4 JVEG als auch nach dem klaren Gesetzgeberwillen steht damit fest, dass der Gerichtssachverständige, der seine Hinweispflicht nach § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO verletzt und dessen spätere Abrechnung den Auslagenvorschuss erheblich überschreitet (> 20%), eine Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses erhält (Kappung des Vergütungsanspruchs auf den Vorschussbetrag).


V. Herrschende Ansicht in der Rechtsprechung (Auswahl)

Dem folgt auch die (absolut) herrschende Ansicht in der Rechtsprechung. Im Folgenden werden ausgewählte Gerichtsentscheidungen dargestellt, die auch einige interessante Zusatzaspekte ansprechen.


1. OLG Hamm, Beschluss vom 24.7.2014 – 24 U 220/12

Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss vom 24.7.2014 entschieden (Leitsatz nach juris):

»Übersteigt die vom Sachverständigen geltend gemachte Vergütung den von den Parteien angeforderten Kostenvorschuss erheblich, d.h. um mehr als 20% (hier: 2.000,- Euro Vorschuss, später knapp 9.000,- Euro geltend gemacht), und weist der Sachverständige darauf unter Verstoß gegen § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO [Anm. des Autors: jetzt § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO] nicht rechtzeitig hin, ist seine Vergütung nach dem eindeutigen Wortlaut von § 8a Abs. 4 JVEG und der eindeutigen Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 17/11471 [neu], S. 260 linke Spalte) auf den Betrag des Vorschusses zu kappen. Angesichts dieser neuen gesetzlichen Regelung besteht kein Anlass dazu, den Vorschussbetrag – was nach altem Recht teilweise gemacht wurde (vgl. KG, Beschl. v. 4.5.2011 – 22 U 59/09, juris; LG Osnabrück, Beschl. v. 13.2.2013 – 3 OH 72/11, juris [Erhöhung um 20-25%]) – zu erhöhen.«


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