BauSV 6/2025


Baurecht


Klaus Englert, Stephanie Englert-Dougherty


Die Komplexität des Baurechts als Herausforderung

für Sachverständige, Gerichte, Baujuristen sowie Baupraktiker


I Einführung in die Bauproblematik

Baurecht zählt zu den schwierigsten Kenntnisbereichen, die nicht nur bei Juristen, sondern auch bei Architekten, Ingenieuren, Bauleitern und Sachverständigen als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden müssten. Die Realität zeigt jedoch ein anderes Bild: Nur wenige Richter, Rechtsanwälte und Syndici beherrschen das Baurecht im Sinne von »Können« – und nur wenige Baubeteiligte, z.B. Sachverständige, Architekten, Ingenieure, Master of Engineering (M.Eng.), überblicken diese Materie wenigstens im Sinne von »Kennen«.

Denn der Elfenbeinturm juristischer, aber auch technischer sowie betriebswirtschaftlicher Ausbildung lässt während des Studiums, aber auch in den Monaten der Referendarausbildung bzw. von Praktika kaum Platz, ja oftmals nicht einmal einen Blick, für das Baurecht zu. So bleibt diese gewichtige Rechtsmaterie terra incognita für die meisten Berufsanfänger – und dieser Zustand hält mangels Interesses, aber auch konsequenter Fortbildung oft bis zur Pension an. Dies kann anhand meist nicht vorhandener oder allenfalls rudimentärer Kenntnisse der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – deren Abkürzung »VOB« oft nicht als Einzelbuchstaben, sondern als ein Wort gesprochen und damit die Unkundigkeit mehr als offenbar wird – bei Einstellungsgesprächen immer wieder mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen werden.

Dabei geht es jedoch nur um das kleine Einmaleins des Baurechts. Verständnis ruft jedoch die Unkenntnis oder Negation des Baurechts bei Baubeteiligten, insbesondere aber auch von Berufs wegen mit der Rechtsanwendung befassten Juristen, hinsichtlich einer großen Zahl von Gesetzen bzw. sonstigen Rechtsregeln hervor, die es im Zusammenhang mit der Genehmigung, Vergabe, Errichtung, Änderung, Sanierung oder dem Rückbau von Bauwerken aller Art zu beachten gilt.

Zwar zählen die klassischen Gesetzes- und Regelwerke – wie das BauGB, das BGB, die VOB oder die HOAI – noch zum Standardrepertoire für viele Bau(rechts)verantwortliche, wenngleich auch hier oft nur partiell. Die gesamte Palette öffentlich-, privat- und strafrechtlicher »Bauvorgaben« jedoch überblickt man – im Sinne des Begriffs »Beherrschung« – nie: Die Gesetzes- und Regelungsflut mit ständigen Änderungen, Ergänzungen, Streichungen und auch Anpassungen an europäische Vorgaben lässt – in Verbindung mit dem Bestreben, das gesamte Baurecht im Gleichschritt mit der Entwicklung der Bautechnik zu halten – vollständiges Kennen ebenso nicht zu wie der Grundsatz »Man lernt nie aus!« bei konsequenter Befolgung von allen mit Baurecht Befassten heute mehr Zeit zum »up-to-date-Bleiben« fordern würde, als der regelmäßige 10–14-Stunden-Tag bereithält.

Hinzu kommt die oftmals sehr eingeschränkte Themenwahl bei baurechtlichen Veranstaltungen aller Art: Meist geht es um spezielle Probleme der HOAI, um Fragen zur Abnahme von Bauleistungen oder um Nachtragstheorien. Die große Palette des gesamten Baurechts – die bei nahezu jeglichem Bauwerk als Grundlage aller baurechtlicher Begleitung dienen müsste – bleibt jedoch oft in wesentlichen Vorgaben unberücksichtigt. Dies gilt in besonderer Weise auch für Bau-Sachverständige, die – eigentlich, da sachkundig – die gesamten Schubladen bautechnischer und baurechtlicher Regelungen bei der Anfertigung von Gutachten berücksichtigen müssen!


1. Das gesamte Spektrum von Bauregelungen

Diese Situation zu meistern, zählt damit zu den wesentlichen Herausforderungen, die das gesamte Baurecht an die Baubeteiligten, Baujuristen, Richter und Sachverständigen stellt: Die Komplexität dieser Rechtsmaterie fordert deshalb einerseits eine fundierte Übersicht über sämtliche einschlägige Vorgaben, andererseits eine Systematisierung nach dem sog. Schubladenprinzip – und letztlich auch den bekannten Mut zur Lücke, den man auch als Vertrauen in die gleichgerichtete Unkenntnis anderer Bau- bzw. Streitbeteiligten bezeichnen kann.

Damit die Lücke nicht zur Falle wird, muss eine Art »Checkliste« entwickelt werden. Diese gilt es im Gleichschritt mit Gesetzesänderungen, aber auch Regelwerken aller Art, die (auch) das Bauen betreffen, fortzuschreiben. Denn »Baurecht« ist »Wandelrecht«, abhängig insbesondere von den Gerichten, die mit ihren Entscheidungen Pflöcke schlagen, aber auch entfernen. Dazu einleitend ein Überblick:


1.1 Die Universalität des gesamten Baurechts

Keine andere Rechtsmaterie verlangt von ihrem Anwender so viel interdisziplinäres und umfassendes Verständnis wie die Gesamtheit der Regelungen, die im Zusammenhang mit der Planung, Genehmigung, Ausschreibung, Vergabe, Ausführung, Abnahme, Abrechnung und Mängel- oder Schadensabwicklung – aber auch Begutachtung – im Zuge der Erbringung von Bauleistungen aller Art stehen. Denn »Baurecht« ist Querschnittsmaterie. Diese spannt einen Bogen vom Europa-, Verwaltungs-, Zivil- und Strafrecht über das Arbeits- und Versicherungsrecht bis hin zum Recht der Berufsgenossenschaften und Tarifvertragsparteien.

Die Anwendbarkeit und Anwendung dieser breit gestreuten Rechtsbereiche stehen oftmals im untrennbaren Zusammenhang mit technischen Vorgaben – etwa in Form von DIN-Normen oder allgemein anerkannten Regeln der Technik – oder betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und Kenntnissen.


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