BauSV 5/2024


Experteninterview

Abb. 1: Asbestfassade und Außenanlage (© Martin Kessel)

Martin Kessel


Gesundheitsrisiko Asbest

30 Jahre Asbestverbot


Ob im Blumentopf, der Fensterbank oder in einer Vielzahl von Bauprodukten – von etwa 1880 bis in die 1990er-Jahre war Asbest ein begehrter Baustoff: flexibel, feuerfest, isolierend und günstig. So gelangte Asbest als Dachdeckung, Isolierung, Putz oder Bodenbelag in fast jedes Haus. Der VDI bietet bereits seit Jahren Hilfestellungen, die unterstützen können, dem Dilemma des massiven Vorkommens von Asbest im Bauwerksbestand zu begegnen.

Zwar wurde die Asbestose bereits 1937 als Berufskrankheit anerkannt, aber es dauerte bis 1993, bis die Verwendung endgültig verboten wurde. Doch noch immer ist die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle durch Asbest hoch und das wird auch so bleiben. Denn es findet sich in fast allen Gebäuden, die heute renoviert oder abgebrochen werden und somit bleibt das Gesundheitsrisiko durch Asbest bestehen.

Dipl.-Ing. Martin Kessel kennt die Gefahren, die von Asbest ausgehen, und weiß auch, wie man die Risiken minimieren kann. Im Interview mit dem VDI erklärt er, warum der Umgang mit Asbest auch in Zukunft eine große Rolle spielen wird.

VDI: Welche Asbestverwendungen finden sich in älteren Gebäuden am häufigsten?

Martin Kessel: Das offensichtlichste sind Faserzement und Dacheindeckungen. Das sieht man jeden Tag. Aber genauso findet sich Asbest in Hart-PVC-Platten, sogenannten Flor-Flex-Platten, und in allerlei bauchemischen Produkten: von der Spachtelmasse und Dünnbettmörtel für Fliesen bis zum Fensterkitt.

Es gibt Schätzungen, dass etwa 3.000 Produkten im Baubereich Asbest zugesetzt wurde. Und zwar seit etwa 1880. Häufig entsteht der Eindruck, es sei ein Problem der Nachkriegsjahre, aber Asbest wurde auch schon früher genutzt, zudem auch bei Renovierungen und Sanierungen älterer und alter Gebäude.


Das Thema Asbest geht alle an!

VDI: Welche Methoden werden eingesetzt, um Asbest in Gebäuden zu identifizieren?

Martin Kessel: Generell braucht es ein waches Auge und viel Know-how. Wenn Fachleute unterschiedliche Bauteile betrachten, können sie oft etliches bereits durch visuelle Ansprache erkennen. Im Anschluss gilt es zu entscheiden, welche verdächtigen Bauprodukte beprobt werden sollen.

Hilfreich sind auch Pläne aus der Bauzeit und Informationen zu Renovierungs- und Sanierungsarbeiten. Hier gilt: je älter, je aussagekräftiger. Denn oft gibt es Produktbeschreibungen in den Detailplänen, in denen Asbest sogar mitaufgeführt ist. In etwa 70% aller Häuser, die vor 1990 gebaut wurden, finden wir Asbest. Bei Beprobung und Analyse verdächtiger Bauprodukte kann dann in rund vier von fünf Fällen Entwarnung gegeben werden – das ist für das weitere Vorgehen dann eine wichtige Information.

In wenigen eindeutigen Fällen lassen sich Asbestbelastungen durch visuelle Prüfung identifizieren. Ansonsten gilt es, qualifiziert Proben zu nehmen und zu analysieren. Dabei dürfen bei der Probenahme keine Fasern freigesetzt werden, es muss immer gehandelt werden, als sei Asbest im Material vorhanden. So gewinnen wir wichtige Ergebnisse für die Planungsmaßnahmen einer Sanierung. Hier helfen auch unsere VDI-Richtlinien. Sie sind das Maß der Dinge für die Erkundung und die angewendete Messtechnik. Was Messtechnik und Grenzwerte betrifft, sind wir in Deutschland gut aufgestellt und haben einen guten Standard.


Jährlich 70.000 Asbest-Tote in der EU

VDI: Welche Gesundheitsrisiken gehen von Asbest aus und welche Vorsichtsmaßnahmen sind bei der Entfernung von Asbest erforderlich?

Martin Kessel: Wichtig ist hier vor allem die Asbestose. Sie führt zu einer starken Einschränkung der Lungenfunktion und senkt deutlich die Lebensqualität. Ein weiterer Faktor sind unterschiedliche Krebserkrankungen, die in Zusammenhang mit Asbest stehen, wie das Mesotheliom, das meist nicht behandelbar ist und quasi immer wenige Monate nach Diagnose zum Tode führt. Wenig bekannt ist, dass diese Zahlen seit Jahren nicht rückläufig sind, wie viele es nach dem Verbot in den 1990ern erwartet haben. Ganz im Gegenteil – die Zahlen steigen noch und es ist kurzfristig auch keine gegenteilige Entwicklung zu erwarten. Denn wir bauen zu Dreivierteln im Bestand und das heißt, wir arbeiten in vielen Gewerken in potenziell belasteten Bauwerken. Und diese Tatsache ist nach wie vor häufig nicht oder nicht ausreichend präsent.

In Deutschland gibt es knapp 1.600 Asbest-Tote jedes Jahr und hier sprechen wir nur von den Fällen, die als Berufskrankheit anerkannt wurden. Das heißt, die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher, schätzungsweise bei rund 15.000.


Das ganze Interview können Sie in der Oktober-Ausgabe von »Bausachverständige« lesen.
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