
Jeder Bauherr / Auftraggeber hat einen Anspruch auf ein mangelfreies Gewerk. Wenn die vom Auftragnehmer ausgeführte Bauleistung (Istzustand) in negativer Weise vom vertraglich vereinbarten Zustand (Sollzustand) abweicht, spricht man von einem Mangel. Auch wenn kein Vertrag abgeschlossen wurde, was bspw. häufig bei Parkett- und Bodenbelagsarbeiten, aber auch bei Fliesen- und Beschichtungsarbeiten der Fall ist, muss bei der Bewertung und Abnahme von der üblichen Beschaffenheit ausgegangen werden. Von einer üblichen Beschaffenheit spricht man, wenn die Fußbodenarbeiten den Regeln der Technik im jeweiligen Ausführungszeitraum entsprechen, so wie sie in den DIN-Normen, Merkblättern, Herstellervorgaben und Herstellerhinweisen beschrieben sind und von Fachleuten und Sachverständigen anerkannt werden.
Versprechungen im Internet, in Prospekten und in anderen Werbemedien führen bei Bauherren / Auftraggebern sehr häufig zur Vorstellung, Fußbodenarbeiten in der gleichmäßigen und hohen Qualität zu bekommen, wie industriell vorgefertigte und in großen Mengen hergestellte Produkte, etwa Autos, Waschmaschinen oder Fernsehgeräte. Besonders aufgrund dieser Idealvorstellungen kommt es immer wieder zu Streitigkeiten über kleinere Ungenauigkeiten und Abweichungen, die objektiv als bedeutungslos und bei üblicher handwerklicher Sorgfalt als unvermeidbar einzuschätzen sind.
Diese Streitigkeiten haben nach wie vor einen großen Anteil bei privaten und gerichtlichen Auseinandersetzungen. Zur Vermeidung dieser oft unnötigen Streitigkeiten haben Oswald und Abel im Jahr 2000 die überarbeitete und erweiterte Auflage ihres Buches »Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden« [1] herausgegeben. Aufgrund von geänderten und erweiterten Beurteilungskriterien erfolgten von Verbänden Aktualisierungen in Form von Merkblättern, die sich mit unvermeidbaren Abweichungen befassen und Grenzwerte angeben.
Deshalb sind die nachfolgenden Ausführungen für Sachverständige, aber auch für Verarbeiter nützlich, wenn sich die beteiligten Partner darüber streiten, ob es sich um einen Mangel, einen Schaden oder eine hinzunehmende Unregelmäßigkeit im Fußbodenbereich handelt. Denn dann kommt häufig die Frage: »Wo steht denn das?«.
Im November 2024 wurde von einem Team des Aachener Instituts für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik unter Leitung von Prof. Zöllner der Beitrag »Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten an Gebäuden« [2] im Netz veröffentlicht. Dieses Projekt wurde gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) aus Mitteln des Innovationsprogramms Zukunft Bau.
Hier heißt es unter anderem: »Was bedeutet eine ›Hinzunehmende Unregelmäßigkeit‹?« Die Antwort lautet, die vom Vertrag vorausgesetzte Mangelfreiheit, womit solche Unregelmäßigkeiten in der Bandbreite des Vertrags liegen und damit keine Mangelrechte auslösen. Wann ist ein Mangel hinnehmbar, wann muss er hingenommen werden? Die Dispositionsfreiheit von Bestellern nach § 634 BGB, gerade Errichtetes wegen Makel, die auch Mängel sind, gegebenenfalls abbrechen und neu herstellen zu lassen, widerspricht diametral Art. 20 a des Grundgesetzes, dem von Deutschland anerkannten GreenDeal, der europäischen Gesetzgebung zur Kreislaufwirtschaft und dem nationalen Kreislaufwirtschaftsgesetz.«
In den Ausführungen des Aachener Teams wurden Grenzbereiche und Abweichungen definiert, die im Rahmen der üblichen Beschaffenheit einzuordnen sind. In den folgenden Ausführungen werden die in diesem Beitrag genannten Abweichungen und Grenzbereiche im Fußbodenbereich durch Stellungnahmen von Sachverständigen und Gerichtsentscheidungen ergänzt, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Beim Streit über Unregelmäßigkeiten bei Fußbodenarbeiten geht es meist um das optische Erscheinungsbild, Maßtoleranzen, Ebenheiten, Kellenschläge, Kratzer, Pickel, Fugen, Farbunterschiede, Blasen, Beulen, Resteindrücke, Verschmutzungen, Beschädigungen, ungleichmäßige Verlegung, kleinere Ausbesserungen und Ähnliches.
Bei optischen Beeinträchtigungen geht es in erster Linie darum, welche Störwirkungen bspw. Unebenheiten, Farbabweichungen, Verschmutzungen, kleinere Beschädigungen und Ähnliches auf den Betrachter des Fußbodens haben. Dabei gilt der Grundsatz »Für die optische Beurteilung ist das Erscheinungsbild bei üblicher Raumnutzung maßgeblich«. Die optische Einschätzung sollte daher in aufrecht stehender Haltung erfolgen, es sei denn, eine Betrachtung aus der Sitzposition ist gebrauchsüblich. Des Weiteren dürfen keine von den üblichen Gebrauchssituationen deutlich abweichende Lichtverhältnisse vorherrschen.
In der BSR-Richtlinie »Betrachtungsweise zur gutachterlichen Beurteilung des Erscheinungsbildes von Fußbodenoberflächen« [3] heißt es unter anderem: »[...] Grundsätzlich wird das Schadensbild aufrechtstehend betrachtet. Die Beurteilung ist bei üblicher Möblierung vorzunehmen. [...] Werden Unebenheiten/Unregelmäßigkeiten aus einer Blickrichtung sichtbar, müssen diese zwecks Verifizierung der Beanstandungswürdigkeit aus einer weiteren, veränderten Blickrichtung gleichermaßen erkennbar sein. [...] Ein Fußboden ist kein Möbelstück; er ist ein Gebrauchsgegenstand, der in aller Regel täglich beansprucht und belastet wird. Anforderungen an die Oberfläche, wie solche an ein Möbelstück gestellt werden, scheiden daher aus. Die Beurteilung der Oberfläche des Fußbodens geschieht in aufrechtstehender Haltung. Beobachtungen oder Abfühlen der Fußbodenoberfläche in kniender oder gebückter Haltung scheiden für die Beurteilung aus. Auch Schräglicht-Beleuchtungen und Lichtbrechungseffekte dürfen für eine Beurteilung nicht herangezogen werden, da diese Methoden der Zweckbestimmung eines Fußbodens völlig widersprechen.«
Zum Thema Streiflicht heißt es weiter: »Streiflicht – Gegenlicht, das durch bauliche Gegebenheiten unveränderbar auch bei gebrauchsüblicher Nutzung vorliegt, ist bereits bei der Verlegung des Parketts und Bodenbelags und bei Sichtung sowie gutachterlicher Beurteilung der Fußbodenoberfläche zu berücksichtigen. Allerdings ist geringe, nur bei Streiflicht sichtbare Welligkeit der Fußbodenoberfläche nicht zu bemängeln.«
Den ganzen Beitrag können Sie in der August-Ausgabe von »Bausachverständige« lesen.
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