BauSV 6/2025


Rechtsprechungs-Report | Bauvertragsrecht


Eva-Martina Meyer-Postelt


Zur Kündigung nach § 650f BGB bei unklarem Sicherungsverlangen


Die für die Kündigung wegen nicht gestellter Sicherheit nach § 648a Abs. 5 BGB a.F. (§ 650f Abs. 5 BGB n.F.) erforderliche Fristsetzung ist unwirksam, wenn die Höhe der Sicherheit für den Besteller nicht nachvollziehbar ist, auch auf seine Nachfrage vom Unternehmer nicht erläutert wird und der Besteller die aus seiner Sicht zutreffende Sicherheit anbietet.

OLG Köln, Urteil vom 17.09.2025 – 11 U 125/23


Zum Sachverhalt

Die Klägerin K ließ ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. In 2017 beauftragte sie die Beklagte B mit der Fertigstellung der von der Firma X begonnenen Dachdeckerarbeiten. Vereinbart war eine Abrechnung auf Stundenlohnbasis, wobei der Vertrag ein voraussichtliches Volumen von 100 Facharbeiterstunden und 100 Helferstunden zu festbestimmten Stundensätzen umfasste, dementsprechend von einem voraussichtlichen Bruttogesamtpreis in Höhe von ca. 12.500 Euro ausging.

B begann mit den Arbeiten und stellte eine erste Abschlagsrechnung über ca. 8.700 Euro an K. Mit gesondertem Schreiben forderte B die K zur Stellung einer Sicherheit gem. § 648a BGB a.F. in Höhe von 22.000,00 Euro auf. K glich die erste Abschlagsrechnung vollständig aus. Gleichzeitig rügte K gegenüber B, dass die Höhe der geforderten Sicherheit angesichts der vereinbarten Stunden/Stundenlöhne nicht nachvollziehbar und überhöht sei.

K bot der B die Hinterlegung von 3.500 Euro auf ein Notaranderkonto an. Auch eine zweite Abschlagsrechnung über 3.600 Euro zahlte K vollständig. B erklärte die Kündigung des Vertrages wegen nicht gestellter Sicherheit. Im Rechtsstreit klagt K gegenüber B Mängelbeseitigungskosten ein und B macht widerklagend gegen K Restwerklohnansprüche für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen geltend.

B behauptet diesbezüglich, dass ihr für erbrachte Stunden eine Gesamtvergütung von 13.464,57 Euro brutto zustehen würde, für die nicht erbrachten Leistungen beansprucht sie unter Anrechnung ersparter Aufwendungen insgesamt einen weiteren Werklohn in Höhe von 32.811,66 Euro netto. Im Rechtsstreit macht B davon aber nur einen Teilbetrag von 25.000 Euro geltend.

Hinsichtlich der Widerklage hat das Landgericht einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn wegen erbrachter Leistungen grundsätzlich bejaht. Ansprüche auf Werklohn für nicht erbrachte Leistungen hat das Landgericht aber zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der B.


Aus den Gründen

Die zulässige Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg. Anwendbar ist im vorliegenden Fall das Werkvertragsrecht in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung. Die VOB/B wurde wirksam zwischen den Parteien vereinbart. Verwenderin ist insoweit K, da die VOB/B schon Bestandteil des LV ihres Architekten war, welches der Beauftragung zugrunde lag.

Der B stehen lediglich Ansprüche auf Werklohn für die tatsächlich erbrachten Leistungen aus § 631 Abs. 1 BGB zu. Weitergehende Ansprüche zugunsten der B bestehen nicht. Die B kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen beanspruchen. Ihr steht insbesondere kein entsprechender Vergütungsanspruch nach § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. zu. Denn die von ihr ausgesprochene Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrags wegen nicht geleisteter Sicherung war unwirksam.

Voraussetzung für eine Kündigung wegen nicht geleisteter Sicherheit ist gemäß § 648a Abs. 5 S. 1 BGB a.F. (wie auch nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB n.F.), dass der Unternehmer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit gesetzt hat. An einer wirksamen Fristsetzung in diesem Sinne fehlt es im vorliegenden Fall. Die erfolgte Fristsetzung durch B war unwirksam, da die Höhe der verlangten Sicherheit für die K anhand des Sicherungsverlangens nicht nachvollziehbar war und auch auf entsprechende Aufforderung der K durch B nicht erläutert wurde.

Grundsätzlich hat der Unternehmer anzugeben, in welcher Höhe er Sicherheit verlangt. Die Höhe, in welcher Sicherheit verlangt werden kann, ist dabei abhängig von der Höhe der vereinbarten Vergütung. Beim Einheitspreis- und Stundenlohnvertrag ist als vereinbarte Höhe der Vergütung grundsätzlich die Summe anzunehmen, die im Vertrag als voraussichtliche Gesamthöhe angegeben ist. Gibt es eine solche nicht oder will der Unternehmer hiervon erheblich abweichen, hat er schlüssig und für den Besteller nachvollziehbar darzulegen, wie viele Stunden für die Ausführung der beauftragten Bauaufgabe anfallen werden.

Der Unternehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe seines Vergütungsanspruchs. Auch wenn im Einzelfall auf Schätzungen zurückgegriffen werden kann, muss das Sicherheitsverlangen plausibel und nachvollziehbar dargestellt sein. Ein überhöhtes Sicherungsverlangen ist allerdings nicht von vorneherein unwirksam. Der zur Kooperation verpflichtete Besteller kann den Rechtsfolgen des § 648a Abs. 1 und Abs. 5 BGB insbesondere nicht ohne Weiteres dadurch entgehen, dass er auf eine Zuvielforderung überhaupt nicht reagiert.

Der Besteller muss vielmehr eine angemessene Sicherheit in der für ihn feststellbaren Höhe anbieten. Lehnt der Unternehmer die unterhalb der geforderten Höhe gestellte, aber angemessene Sicherheit ab, beendet dies die schwebende Unwirksamkeit seines Sicherheitsverlangens. Dieses wird unwirksam und somit stehen ihm die Rechte aus § 650f Abs. 5 BGB (bzw. § 648a Abs. 5 BGB a.F.) nicht zu.

Nach diesen Maßgaben war das Sicherungsverlangen der B nicht ausreichend begründet und die hiermit verbundene Fristsetzung daher – jedenfalls nach entsprechender Rüge der K und dem erfolglosen (inhaltlich nachvollziehbaren) Angebot einer von der K als angemessen bewerteten Sicherheit in geringerer Höhe, auf das die B nicht reagiert und insbesondere auch keine Erläuterung der Höhe der von ihr geforderten Sicherheit vorgenommen hat – unwirksam.

Auch wenn der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag keine abschließende Vergütungshöhe enthielt, durfte die K zunächst davon ausgehen, dass die im Vertrag genannte Höhe der seinerzeitigen Schätzung des Aufwands durch die B entsprach. Weder dem LV des Architekten der K noch dem Angebot der B ließ sich entnehmen, dass die im Angebot angegebene Stundenzahl keinen Bezug zum erwartenden Aufwand haben sollte. Das spätere Sicherungsverlangen der B überstieg die ursprünglich im Vertrag auf Grundlage dieser Schätzung festgehaltenen Angaben zur Vergütung bei Weitem.

Die Höhe der verlangten Sicherheit war nicht näher begründet und für die K auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. Sie konnte sich zwar angesichts der bereits erhaltenen Abschlagsrechnung, die offenbar nicht alle auszuführenden Leistungen enthielt, nicht darauf verlassen, dass der ursprünglich genannte Betrag nicht überschritten werden würde. Da sie aber nicht selbst ermitteln konnte, in welchem Umfang weitere Leistungen, die weitere Vergütungsansprüche auslösen würden, zu erwarten waren, war sie – jedenfalls in Verbindung mit dem Angebot einer aus ihrer Sicht der Höhe nach schlüssigen Sicherheitsleistung – berechtigt, die B um Erläuterung der Höhe der verlangten Sicherheit zu bitten.

Die B hat hierauf ihrerseits nicht reagiert. Eine nachvollziehbare Erläuterung der im Vergleich zur ursprünglichen Schätzung deutlich geänderten Höhe der zu sichernden Ansprüche wäre allerdings nach den bereits dargelegten Grundsätzen notwendig gewesen, da das Sicherungsverlangen plausibel sein muss und insbesondere im Zweifel zunächst die im Vertrag genannten Vergütungshöhen als Ausgangspunkt heranzuziehen sind. Das gilt auch dann, wenn ggfls. objektive Anhaltspunkte dafür bestanden haben, dass die ursprünglich genannten Summen überschritten werden.

Das entsprechende Erfordernis stellt – auch unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Grundsatzes, dass mit der Bauhandwerkersicherung dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnet werden soll, möglichst schnell und effektiv eine Sicherheit für die noch nicht gezahlte Vergütung zu erlangen – keine übermäßige Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen des Unternehmers dar. Denn dieser kann bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich Einfluss auf die im Vertrag genannten Schätzungen der Vergütungshöhe nehmen, die dann später erster Anhaltspunkt eines etwaigen Sicherungsverlangens sind.

Er ist zudem gerade aufgrund seiner im Vergleich zum Besteller überlegenen Erkenntnismöglichkeiten über die Entwicklung der Leistungserbringung regelmäßig ohne Weiteres in der Lage, spätere Abweichungen im Vergleich zur ursprünglich geschätzten Vergütungshöhe zu erläutern. Den Interessen des Unternehmers kann darüber hinaus im Einzelfall dadurch Rechnung getragen werden, dass an die von ihm auf nachvollziehbare Rügen des Bestellers, der zugleich seine Bereitschaft zur Sicherheitsleistung in geringerer Höhe ausgehend von den ihm zur Verfügung stehenden Berechnungsmöglichkeiten erklärt hat, vorzunehmende plausible Erläuterung der Sicherungshöhe keine zu hohen Aufforderungen gestellt werden

Nicht ausreichend ist insoweit aber jedenfalls das – hier vorliegende – völlige Fehlen einer Begründung der Sicherungshöhe bei deutlicher Abweichung zur ursprünglichen Schätzung, die auch auf ausdrückliche Rüge des Bestellers in keiner Weise erläutert wurde. Die mit einem solchen, nicht ausreichend begründeten Sicherungsverlangen verbundene Fristsetzung ist im Ergebnis nicht geeignet, die Rechtsfolgen nach § 648a Abs. 5 S. 2 BGB a.F./§ 650f Abs. 5 S. 2 BGB n.F. auszulösen.


Anmerkung

Das OLG hat die Revision gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO wegen Grundsatzbedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil die Frage, ob die mit einem nicht ausreichend begründeten Sicherungsverlangen, dessen objektive Überhöhung allerdings nicht konkret feststellbar ist, verbundene Fristsetzung gemäß § 648a Abs. 5 S. 1 BGB a.F./§ 650f Abs. 5 S. 1 BGB n.F. wirksam ist und den Unternehmer nach Fristablauf zur Kündigung nach § 648a Abs. 5 S. 2 BGB a.F./§ 650f Abs. 5 S. 2 BGB n.F. berechtigt, bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist, für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Sachverhalte Bedeutung hat und daher einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf.

Die Beklagte hat Revision zum BGH eingelegt. Das Urteil des OLG Köln ist also insoweit derzeit noch nicht rechtskräftig, sollte allerdings gleichwohl vorsorglich jetzt schon Beachtung finden.

EMMP


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