Melita Tuschinski
  • 12.01.2022

Expertenmeinung: Teure Fehler bei Energieausweisen vermeiden

Seit 1. August 2021 kontrollieren die Behörden die Ausweise nach dem neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Im Gespräch: Melita Tuschinski, Dipl.-Ing. UT, Freie Architektin in Stuttgart, Autorin des neuen Fachbuches »Energieausweise für die Praxis«

BauSV: Wie das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorschreibt, prüfen die zuständigen Behörden in den Bundesländern die ausgestellten Energieausweise für Gebäude. Wie funktioniert das in der Praxis?

Tuschinski: Anhand der Registriernummer der Ausweise losen die Behörden Stichproben aus und fordern von den Ausstellern die Unterlagen für die Kontrolle an. Die Sachbearbeiter prüfen diese anhand der gesetzlichen Vorgaben, d.h. nach einer der folgenden Methoden:

  • Die einfachste umfasst die Validitätskontrolle der Eingabedaten zum Energieausweis und die angegebenen Ergebnisse.
  • In der nächsten Stufe prüfen sie zusätzlich auch die abgegebenen Empfehlungen zur kostengünstigen Modernisierung des Gebäudes.
  • Die dritte Methode ist die gründlichste. Die Eingabedaten, die Ergebnisse und Modernisierungsempfehlungen werden vollständig überprüft. Wenn die Eigentümer des Gebäudes zustimmen, nehmen die Kontrolleure auch das Gebäude in Augenschein und überprüfen die Eingabedaten am Objekt

 

BauSV: Was sind bisher die häufigsten Fehler bei Energieausweisen, die von den Kontrollbehörden festgestellt wurden?

Tuschinski: Um Fehler feststellen zu können, muss man erst einmal im Detail wissen, was die konkreten Anforderungen an den Energieausweis sind. Die Energieeinsparverordnung (EnEV 2007) führte diese DIN-A-4 große, mehrseitige Dokument erstmals in Deutschland ein. Seine Inhalte regelt inzwischen das GEG und seine Darstellung muss dem offiziellen »Muster für Energieausweise nach dem Gebäudeenergiegesetz« entsprechen.

Die dazumal zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Innern, für Bau und Heimat (BMI) haben diese im Dezember 2020 über den Bundesanzeiger bekannt gemacht. Es sind jeweils gesonderte Energieausweis-Muster für Wohn- und Nichtwohngebäude. Jede Seite des Ausweises erfüllt einen speziellen Zweck:

  1. Die erste Seite stellt das Gebäude samt seiner Anlagentechnik kurz vor.
  2. Die zweite Seite dokumentiert die Energieeffizienz des Gebäudes anhand seines vorab berechneten Energiebedarfs. Auch erlaubt sie einen Vergleich mit bekannten Gebäudestandards, wie Effizienzhaus 40, Neubau, durchschnittlicher Bestand, usw.
  3. Die dritte Seite präsentiert den erfassten Energieverbrauch des Gebäudes und zeigt auch Vergleichswerte für die Endenergie verschiedener Gebäudestandards.
  4. Auf der vierten Seite empfiehlt der Aussteller – wenn möglich – kostengünstige Modernisierungen, welche die Energieeffizienz des Gebäudes verbessern könnten.
  5. Für den Aushang des Energieausweises in öffentlichen und viel besuchten privatwirtschaftlichen Nichtwohnbauten stehen noch zwei spezielle, sehr anschauliche Musterseiten bereit – aufgrund des Energiebedarfs oder -verbrauchs des Gebäudes.
  6. Auf der letzten Seite erläutert der Energieausweis jeweils die verwendeten Eingabedaten und die berechneten energetischen Kennwerte.

Ich habe bei den Kontrollstellen der Bundesländer nachgefragt, was in der Praxis die häufigsten Fehler bei Energieausweisen sind. Häufig waren, so die Antwort, die Angaben zur Gebäudebeschreibung nicht korrekt oder fehlten gänzlich. Bei Nichtwohnbauten war beispielsweise die Hauptnutzung bzw. Gebäudekategorie nicht angegeben. Bei der großen Vielfalt von Nichtwohnbauten ist dies ein gravierender Fehler, denn die Vergleichskennwerte betreffen auch die gleiche Gebäudenutzung.

Auch die Berechnungen der energetischen Eigenschaften waren oftmals mangelhaft. Die solaren Gewinne waren häufig nicht aufgeführt und die Gebäudehüllflächen nicht korrekt ermittelt. Auch der sommerliche Wärmeschutz wurde des Öfteren nicht nachgewiesen. Manchmal fehlten sogar die Unterschrift und die Berufsbezeichnung des Ausstellers auf dem Ausweis.

Bei Neubauten wurden Ausweise eingereicht, die nicht den Stand nach deren Fertigstellung aufzeigen, wie das GEG es fordert, sondern des geplanten Vorhabens. Manche Ausweise wurden für eine Nutzungseinheit, d.h. eine Wohnung oder ein Büro, ausgestellt und nicht für das gesamte Gebäude, wie das Gesetz es grundsätzlich vorschreibt.

In meinem Portal habe ich dazu eine Übersicht mit den gemeldeten häufigsten Fehler nach Bundesländern aufgeführt: Energieausweis: Die häufigsten Fehler – Erfahrungen der Kontrollstellen der Länder. [1]

 

BauSV: Was können Aussteller von Energieausweisen tun, um Fehler zu vermeiden?

Tuschinski: Zunächst sollten sich die Fachleute mit den Vorschriften des neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG 2020) vertraut machen und diese sehr gut kennen. Verständlicherweise ist dies bei einem Umfang von 114 Paragrafen und 11 Anlagen kein leichtes Unterfanges. Das GEG hat zwar die meisten Regeln von der letzten Energieeinsparverordnung (EnEV 2014) und dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) übernommen, doch es hat auch zum Energieausweis etliche Änderungen eingeführt.

Die bekannt gemachten Muster für die Ausweise weisen auch manche Neuerung auf, auch zu den Gebäudeangaben und den berechneten Ergebnissen. Wie von der EnEV bekannt, haben die zuständigen Bundesministerien inzwischen auch Arbeitshilfen zur Ausstellung von Energieausweisen für Bestandsbauten bekannt gemacht.

Diese Regeln für die Datenaufnahme und -verwertung sowie zum Berechnen von Energieverbrauchskennwerten sollten Aussteller ebenfalls sehr gut kennen und entsprechend anwenden. Inzwischen hat das BMWi auch Auslegungsfragen zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) [2] veröffentlicht. Diese sind zwar nicht rechtsverbindlich, doch die zuständigen Ämter orientieren sich erfahrungsgemäß daran.

 

BauSV: Die Kenntnis des Regelwerks des GEG ist also besonders wichtig. Wo findet man denn einen aktuellen Text des GEG?

Tuschinski: Der aktuelle Gesetzestext des GEG ist beispielsweise auf der Internetseite »Gesetze im Internet« [3] kostenfrei abrufbar. Eine kostenfreie aktuelle Fassung des GEG-Textes finden Sie aber auch im Experten-Portal GEG-info.de. [4] Über dieses Expertenportal informiere ich im Internet zur praktischen Anwendung der energiesparrechtlichen Vorschriften für Gebäude. Das Gesetz umfasst ja zahlreiche interne Verweise. In meiner nicht amtlichen HTML-Version ist es für Leser sehr leicht, zu den entsprechend verlinkten Textstellen direkt zu »springen«, anstatt im Gesetz zu blättern.

 

BauSV: Ein Scherz unter Juristen sagt: »Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung«. Die Lektüre eines Gesetzes ist dann meist eine recht trockene Angelegenheit. Gibt es denn da nicht etwas Anschaulicheres, vor allem für Nichtjuristen?

Tuschinski: In der Tat kann man an konkreten Beispielen viel leichter nachvollziehen, worauf es beim GEG ankommt. Im Experten-Portal GEG-info.de finden sich viele Praxisbeispiele zum GEG. Diese sind auch in mein neues Fachbuch zum Energieausweis eingegangen, samt den jeweils angesprochenen Problemen und Lösungen.

Einige »Kostproben« wären Energieausweis-Aushang im Einkaufzentrum, Aushangpflicht in Schulen, Bedarfsausweis vor Heizungssanierung, Energieausweis für Häuserzeile, Immobilien von Unternehmen, Neubau ohne Außenputz usw. In meinem Buch habe ich auch über weitverbreitete Irrtümer aufgeklärt und immer wieder konkret erläutert, welche Fehler es in unterschiedlichen Szenarien rund um den Energieausweis zu vermeiden gilt.

 

BauSV: Wer viel macht, macht auch viele Fehler. Im Falle des GEG können Fehler aber auch bußgeldbewehrte Konsequenzen haben. Welche Fehler in Verbindung mit dem Energieausweis sieht das GEG denn als Ordnungswidrigkeitentatbestand an?

Tuschinski: Das Gesetz listet eine ganze Reihe von Verstößen auf, die zu Geldbußen führen können, wenn sich Verpflichtete diese vorsätzlich oder leichtfertig zuschulden kommen lassen. Da wäre zunächst die Ausstellung des Ausweises selbst, die nur berechtigten Fachleuten erlaubt ist. Auch müssen die Daten, welche Aussteller den Ausweisen jeweils zugrunde legen und die sie berechnen und dokumentieren, absolut korrekt sein, was auch verständlich ist.

Der Energieausweis soll den Immobilienvergleich erleichtern. Dafür müssen die Daten im Ausweis auch stimmen. Die zuständigen Behörden kontrollieren die Energieausweise, wie das GEG es vorschreibt. Aussteller, die die entsprechenden Ausweise und Unterlagen der Behörde nicht wie verlangt zusenden, handeln ordnungswidrig im Sinne des Gesetzes.

Es gibt jedoch auch eine ganze Reihe von Tatbeständen, die Bauherren, Eigentümer oder Immobilienmakler betreffen. Wenn sie die folgenden Pflichten vorsätzlich oder leichtfertig nicht gesetzeskonform erfüllen, handeln sie ordnungswidrig im Sinne des GEG und es könnten ihnen Geldbußen drohen.

So muss der Eigentümer eines Neubaus sicherstellen, dass ein Energieausweis für sein fertiggestelltes Gebäudes ausgestellt und ihm übergeben wird. Der Eigentümer, der einen Energieausweis bestellt, muss dafür sorgen, dass die von ihm bereitgestellten Daten auch korrekt sind. Dies könnten beispielsweise die Verbrauchsdaten für Heizung und Strom sein.

Wer eine Anzeige in einem kommerziellen Medium schaltet, für den Verkauf oder die Vermietung eines Gebäudes, einer Wohnung, Büro usw., muss auch bestimmte Energiekennwerte mit veröffentlichen, wenn ein gültiger Energieausweis zum Gebäude vorliegt. Wenn die Interessenten – potenzielle Käufer, Mieter, Pächter oder Leasingnehmer – das Gebäude besichtigen, muss der Verkäufer, Vermieter oder Immobilienmakler ihnen einen gültigen Energieausweis vollständig und rechtzeitig vorlegen und nach Vertragsabschluss als Original oder Kopie übergeben.

 

BauSV: Welche Geldbußen drohen denn bei Verstößen im Zusammenhang mit dem Energieausweis?

Tuschinski: Bis zu 5.000 Euro Bußgeld riskieren Aussteller, wenn sie der Kontrollstelle zum Prüfen eines Energieausweises nicht – wie aufgefordert – die verwendeten Daten und Unterlagen zusenden. Sogar bis zu 10.000 Euro Geldbuße sieht das Gesetz vor, wenn Verpflichtete vorsätzlich oder leichtfertig die weiter oben beschriebenen ordnungswidrigen Tatbestände im Zusammenhang mit dem Energieausweise erfüllen.

Dies könnte ein Aussteller sein, der einen Energieausweis erstellt, obwohl er nach GEG nicht dazu berechtigt ist. Auch wenn er nicht dafür sorgt, dass die ermittelten Daten im Ausweis korrekt sind, könnte dies ein Bußgeldverfahren nach sich ziehen. Bis zu 10.000 Euro Geldbuße könnte auch Eigentümern, Bauherren oder Immobilienmaklern drohen, wenn sie die oben gelisteten Pflichten vorsätzlich oder leichtfertig nicht gesetzeskonform erfüllen.

 

BauSV: Wie sehen die Perspektiven für den Energieausweis aus?

Tuschinski: Eine Neuerung des Energieausweise nach GEG sind die Informationen zur Klimafreundlichkeit des Gebäudes. Dafür sind die Treibhausgasemissionen als Kennwert angegeben, gemessen in Kilogramm CO2-Äquivalent pro Quadratmeter und Jahr (kg CO2-Äquivalent/[m2·a]). Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung nimmt der Klimaschutz im Gebäudebereich einen wichtigen Platz ein. Dafür hat sie auch bereits die Fortschreibung des GEG vorgesehen. Auch auf europäischer Ebene sollen sich alle Gebäude bis 2045 klimaneutral gestalten.

Die zuständigen Gremien haben kürzlich den Entwurf für die Novelle der EU-Gebäuderichtlinie veröffentlicht. Daraus ist auch ersichtlich, dass sie die Rolle des Energieausausweises weiterhin stärken wollen. Folgende Aspekte sollen dazu beitragen: einheitlichere Energieeffizienzklassen für Gebäude, eine gestaffelte Haltbarkeit der Energieausweise und seine verbesserte Verwendung. Die neuen nationalen Datenbanken für Energieausweise sollen künftig auch die Renovierungspässe für Gebäude umfassen und über deren intelligente Bereitschaftsindikatoren informieren.

Zu den Perspektiven des Energieausweises habe ich im letzten Kapitel meines neuen Buchs auch laufende EU-geförderte Kooperationsprojekte vorgestellt. Diese befassen sich mit der Weiterentwicklung des Energieausweises als Informationsinstrument. Die »Energieausweise der nächsten Generation« sollen Gebäude noch besser und nachvollziehbarer energetisch bewerten, bis hin zur Vision einer dynamischen Darstellung in Echtzeit.

Dieser Energieausweis würde jeweils den augenblicklichen Energieverbrauch im Gebäude anzeigen. Den Nutzern könnte dies helfen, ihr Verhalten im Sinne der Energieeinsparung zu verbessern.

Die Leser des neuen Fachbuchs sind also nicht nur anhand der ausführlichen Erläuterungen zum Energieausweis und den zahlreichen Praxisbeispielen und Hinweisen auf mögliche Fehler, sondern auch für die Zukunftsperspektiven gut aufgestellt.

 

BauSV: Frau Tuschinski, vielen Dank für das Gespräch.

 

Informationen zum Buch:

[1] https://geg-info.de/geg_praxishilfen/211214_energieausweis_kontrolle_haeufige_fehler.htm

[2] https://www.bauministerkonferenz.de/verzeichnis.aspx?id=991&o=759O986O991

[3] https://www.gesetze-im-internet.de/geg/index.html

[4] https://geg-info.de/geg/index.htm

Cover Fachbuch »Energieausweise für die Praxis«


Energieausweise für die Praxis
GEG 2020: Ausweise erstellen, lesen, nutzen und aushängen.
Leitfaden für Energie-Experten, Eigentümer und Immobilienwirtschaft
Melita Tuschinski
4., vollst. überarb. Aufl.
2022, 464 S., zahlr. Abb. u. Tab., Softcover

 


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