BauSV 4/2024


Meinung


Martin Schauer


Das handwerkliche Sachverständigenwesen


1 Einführung

Die Gründung der Zünfte bis in das 16. Jahrhundert und die Überwachung handwerklicher Leistungen durch »Schaumeister« können als wesentliche Entwicklungsstufen zum heutigen öffentlich bestellten und vereidigten (ö.b.u.v.) Sachverständigen im Handwerk angesehen werden. Bis dahin wurden Handwerker mit schweren Polizeistrafen für begangene Fehler in der Leistung oder der Preisberechnung belegt.

Damals bis heute gilt das bewährte Prinzip: Aus der Praxis – für die Praxis. Die Kontrolle guter Arbeit sollte durch die Handwerker selbst beurteilt werden. So wurden die Schaumeister zunächst durch die Zünfte eingesetzt; ab dem 18. Jahrhundert in den Dienst des Staates gestellt und auf die gewissenhafte Erfüllung ihres Amtes verpflichtet. Sie waren gewissermaßen die Vorläufer der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im Handwerk.

Eine gesetzliche Lösung wurde schließlich im Jahr 1929 mit der damaligen Handwerksnovelle und der Änderung der Gewerbeordnung gefunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in 1953 mit Inkrafttreten der Handwerksordnung wieder eine einheitliche gesetzliche Grundlage geschaffen; den Handwerkskammern wurde als Körperschaft des öffentlichen Rechts für ihren Wirtschaftsbereich die hoheitliche Aufgabe zugesprochen, Sachverständige zur Begutachtung von Waren, Leistungen und Preisen von Handwerkern öffentlich zu bestellen und zu vereidigen.

Mit weiteren Novellen wurden die Aufgaben der Sachverständigen im Handwerk präzisiert bzw. erweitert, sodass nun auch abstrakte Wertgutachten erstellt werden können. »Der traditionelle Praxisbezug der Sachverständigen im Handwerk trägt wesentlich zur Akzeptanz der Gutachten, insbesondere bei den betroffenen Berufskollegen, bei. Er bewahrt gleichzeitig vor einer generalisierenden Betrachtungsweise etwa eines akademischen ›Bausachverständigen‹, dem manchmal die für eine überzeugende Begutachtung notwendige fachlich-technische Tiefe in der Vielfalt der Technik und beruflichen Fachregeln von allein 15 Bau- und Ausbauhandwerken fehlt und bei dessen Gutachten die Gefahr besteht, dass dem ›theoretischen Überbau‹ zu viel Platz eingeräumt wird.«

Im Handwerk sind in 2023 ca. 5.100 ö.b.u.v. Sachverständige verfügbar, die meisten in den Bau- und Ausbau- sowie technischen Handwerken. Damit stellt das Handwerk auch einen bedeutenden Teil der ö.b.u.v. Bausachverständigen. Einen Überblick gibt Tab. 1.

Im Land des Akademisierungswahns scheint der Run auf Studienplätze ungebrochen groß zu sein. Das Handwerk ist weiterhin und weitgehend unattraktiv; das Ansehen insbesondere der Sachverständigen auch? Die Geringschätzung des Handwerks erfährt den Höhepunkt im Schimpfwort »Banause« (das Wort »Banause« kommt vom altgriechischen bánausos und heißt dort »Handwerker«). Aus ethischer Sicht stellt dieser diskreditierte Berufsstand regelmäßig mit den Händen etwas Nützliches her; als edler und wertvoller gilt jedoch nach wie vor die Beschäftigung mit der Erkenntnis. »Hört man sich heute im akademischen Betrieb um, dann gilt der Theoretiker mehr als der Praktiker«; bedeutet: Mundwerk > Handwerk.

In der damaligen Neuerscheinung des Praxisbuchs »Der Sachverständige des Handwerks« 1974 (dieses Buch liegt derzeit in der 6. Auflage aus 2009 vor; die 7. Auflage ist für 2026 angekündigt) richtet der Autor an die Verantwortlichen folgende Mahnung:

»Das Ansehen des gesamten Handwerks leidet unter Sachverständigen, deren Arbeit und Auftreten einen nicht zu verbergenden Mangel an Kenntnissen verrät. Sachverständige aus anderen Wirtschaftsbereichen werden diesen ungeeigneten Helfern vorgezogen. Dieser allgemein und überall zu beobachtende Trend verstärkt sich immer mehr, solange die Verantwortlichen untätig zusehen. Eines Tages wird man sich daher die Frage stellen lassen müssen, warum dem Handwerk das elementare Recht, seine eigenen Erzeugnisse und seine eigenen Leistungen selbst zu begutachten, verloren ging. Solchen Anfängen, die sich nicht nur in einem Handwerk abzeichnen, muss gewehrt werden. Am sichersten ist das durch eine umfassende Unterrichtung des Sachverständigen über sein Amt, seine Aufgabe und seine Rechtsstellung zu erreichen.«

Diese massive Kritik dürfte die Verantwortlichen wachgerüttelt haben, denn in der Folgezeit wurden Anstrengungen unternommen, um dieses Bild positiv zu verändern. In einer Masterarbeit und Untersuchung zum deutschen Handwerk wird nachgewiesen, dass die Anforderungen und auch die persönlichen Voraussetzungen an einen Sachverständigen des Handwerks ein hohes Niveau besitzen.

Auf dem 3. Würzburger Symposium »Sachverständige im Handwerk« im Jahr 2023 resümierten mehrere Referenten, dass gerade der Praxisbezug und die pragmatische Herangehensweise zu den Stärken der handwerklichen Sachverständigen zählen. Vom Grundprinzip her verfügt gerade das deutsche Handwerk – viele europäische Länder beneiden uns um unser »duales Ausbildungssystem« mit anschließender Meisterqualifikation – über ein bewährtes Berufszulassungssystem.


Den ganzen Beitrag können Sie in der August-Ausgabe von »Bausachverständige« lesen.
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