
Was verstehen Baubeteiligte (Bauherren/Erwerber, Handwerker) unter »hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten«? Sind Unregelmäßigkeiten für den Käufer/Erwerber immer hinzunehmen?
Jene unterschiedlich zu interpretierenden Antworten auf diese Fragestellungen bringen spätestes zur Abnahme einer baulichen Leistung ein hohes Konfliktpotenzial mit sich. Die Ablehnung zur Fehlerbeseitigung seitens des Verkäufers mit dem allgemeinen Hinweis auf »hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden«, ist nicht zu akzeptieren, da dies kein erforderlicher Nachweis ist, dass die beanstandete Bauausführung tatsächlich fachgerecht ist (»Nachweispflicht«).
In meiner jahrzehntelangen beruflichen Praxis beschleicht mich das Gefühl, dass die Qualität der Bauausführung sich zunehmend verschlechtert. Der Handwerker hatte früher noch eine, vielleicht von vielen als altmodisch bezeichnete, »Handwerkerehre«. In der heutigen Zeit wird zunehmend vom Handwerker das Mängelrisiko »in Kauf« genommen. Dies bedeutet, dass lieber schnell und unsauber gearbeitet wird und für den Fall einer Beanstandung (welcher idealerweise nicht eintritt) eine Nacharbeitung erfolgt, als dass von Anfang an richtig (d.h. zeitaufwendiger) ausgeführt wird.
Kommt es nun zu Beanstandungen seitens des Käufers/Erwerbers, verstecken sich die Verkäufer/Firmenbauleiter in manchen Fällen hinter den »hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten«. Nun stellt sich die Frage »Was sind die zulässigen ›hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten‹?«
Oswald/Abel schreiben in »Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten [1] bei Gebäuden« das Folgende: »Es ist zwischen ›hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten‹ und ›hinnehmbaren, geringfügigen Mängeln‹ zu unterscheiden. Bei ›hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten‹ handelt es sich um Abweichungen, die nach der Verkehrssitte als unvermeidbar anzusehen und daher hinzunehmen sind, z.B. Maßabweichungen, die im Rahmen der in DIN 18202 definierten Grenzen liegen.«
Dieser Aussage kann ich mich nicht kommentarlos anschließen. Begründung: Vermeidbar sind u.a.
• Streifenbildung
• deutlich sichtbare Ansätze von Spachtelarbeiten usw.
Es ist richtig, dass nur diejenigen Leistungen erbracht werden müssen, die vertraglich vereinbart wurden (»Beschaffenheitsvereinbarung«). In der Regel weiß der Bauherr/Erwerber jedoch nicht, dass auch höhere Anforderungen gestellt werden können, insbesondere in den Bereichen der Bautoleranzen, Spachtelarbeiten, Bauakustik, Sichtbeton, usw.
Der Architekt, ggf. auch der Verkäufer, muss nach DIN 18205 »Bedarfsplanung« die Anforderungen klären und dokumentieren.
Häufiger Streitpunkt zwischen Erwerber und Verkäufer stellen Abrisse im Trockenbaubereich dar. Insbesondere bei ausgebauten Dachräumen in den Bereichen zwischen Wand oder Decke (Trockenbau) und massiven Bauteilen sind Abrisse oftmals bereits nach kurzer Zeit erkennbar (Hinweis: Risse entstehen innerhalb eines Baustoffs, Abrisse zwischen zwei Baustoffen bzw. Bauteilen).
Zur Vermeidung von Abrissen sind zusätzliche »besondere Leistungen« erforderlich, die geplant und vergütet werden müssen. Bei der Bauabnahme, spätestens vor Ablauf der Gewährleistung, müssen Abrisse im Rahmen einer Mängelrüge beanstandet werden. Die darauffolgenden Reaktionen von Bauträgern/Verkäufern fallen zumeist sehr unterschiedlich aus. In einigen Fällen kommt es zu einer anstandslosen Beseitigung, in anderen Fällen zu einer vollständigen Ablehnung von Ausbesserungsarbeiten mit der Begründung, dass »hinzunehmende Unregelmäßigkeiten« vorliegen würden.
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