BauSV 3/2025


Bautechnik

Klebebandabzugsprobe vor Ort
Abb. 1: Klebebandabzugsprobe vor Ort

Harry Luik


Materialprüfung durch den Sachverständigen in der Praxis

Möglichkeiten zur qualitativen Bewertung von Untergründen, Putzen und Farben im Referenzverfahren


Wo steht das? Hier steht's schwarz auf weiß! Technische Regelwerke sind für den Sachverständigen, was Gesetzestexte für Juristen sind: alles! Sie bieten Orientierung und sind Grundlage für fach- und rechtssichere Beurteilungen. Es scheint einfach, knallharte Fakten auf den Sachverhalt übertragen zu können.

Schwierig – oder besser: interessant – wird es, wenn diese Basis nicht zur Verfügung steht oder die Lösung einfach nicht zum Problem passen will. Dann braucht es technische Referenzen, die praktisch beweisen, wie etwas hätte sein können im Verhältnis zu der Sache, die es zu bewerten gilt. Das zu leisten bedarf Sachverstand, Rückgrat und Integrität. Die Urkompetenzen des Sachverständigen.


1 Mangel

Ein Mangel ergibt sich grundsätzlich aus der Abweichung vom Sollzustand. Doch was definiert den Sollzustand? Die Funktionsfähigkeit oder die Schadenfreiheit? Ungeklärt ist dabei noch, welche die vorgesehene Funktion denn sein soll und ab wann eine Störung dessen als Schaden angesehen werden kann. 

Juristisch erklärt sich das in der Hierarchie der folgenden drei Schritte. Ein Mangel liegt demnach vor, wenn eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit einer Leis­tung vorliegt. 

Beispiel: Putzdicke Dämmputz, vereinbart 60 mm, ausgeführt 50 mm = juristischer Mangel

Liegt keine besondere Beschaffenheitsvereinbarung vor, so muss die Leistung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Beispiel: Keine Vereinbarung. Mindestputzdicke Gipsputz gemäß geltender Regelwerke nicht eingehalten = technischer Mangel

Die Leistung ist insbesondere dann mangelhaft, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (siehe oben) oder für die sonst gewöhnliche Verwendung nicht eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber nach der Art der Leistung erwarten kann [1]. Die sogenannte mittlere Art und Güte liegen nicht vor.

Beispiel: »Innenputz« im Kindergarten vereinbart, Lehmputz ausgeführt = technischer Mangel

Die Grundlage für die Arbeit des Sachverständigen ist immer die Sollbeschaffenheit.


1.1 Vereinbarte Beschaffenheit

Vorteile der Vereinbarung

  • Die Ausführung ist klar beschrieben, umfänglich und/oder eindeutig. Sie muss nicht den Regelwerken entsprechen. Sie kann mehr oder weniger anders und ungeregelt sein.
  • Zur Überprüfung liegt eine genaue Beschreibung vor, was den Soll-Ist-Vergleich erleichtert, zum Beispiel ein Putzmuster.

Nachteile

  • Regelwerke sind hier nicht hilfreich und können sogar kontraproduktiv sein, weil Abweichungen davon einen technischen Mangel bedeuten würden. Hier ist praktischer Sachverstand gefragt!


1.2 Allgemein anerkannte Regeln der Technik

Vorteile

  • Sie bieten Klarheit, sofern der Sollzustand regeltechnisch abgedeckt ist. Beispiel: Putzabdichtung vorhanden? Ja oder nein.
  • Die a. R.d.T. sind perfekt für Normenvorleser, Erbsenzähler und Normopathen und einfach zu bewerten. Je nach Sollbeschaffenheit gilt es für den SV auch mal Erbsen zu zählen.

Nachteile

  • Der Sachverständige neigt zur Suche nach Abweichungen von den a. R.d.T., auch wenn diese mit dem Mangel nichts zu tun haben, zum Beispiel bei Rissen in der Fassade. Der Mangel könnte in der nicht korrekten Lage des Gewebes oder der Putzdicke gesehen werden, obwohl dies nicht zwingend die Ursache ist.
  • Sonderkonstruktionen können nicht direkt bewertet werden. Behelfsanwendungen sind oft schwer anzuwenden oder werden von der unterliegenden Partei nicht anerkannt.

 
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