BauSV 6/2024


Baurecht


Hans-Peter Füg


Neue Gefahrstoffverordnung in »Sichtweite«


Mit Zustimmung und Entschließung vom 18.10.2024 hat der Bundesrat den Weg für die Regierungskoalition freigemacht. Soweit sich die Legislative in dieser Sache einig wird, ist eine Reform der derzeitigen Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) durch Abschluss des »Gesetzes«, wie es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausweist, zeitnah durch Inkrafttreten zu erwarten. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist offen, auf das genaue Datum des Inkrafttretens haben der Deutsche Bundestag und Bundesrat keinen Einfluss. [1]

Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) ließ zur Novellierung der Gefahrstoffverordnung im Rahmen einer Pressemitteilung vom 28.10.2024 [2] verlauten, dass diese in die richtige Richtung gegangen sei – aber nicht weit genug. So würden Verzögerungen oder gar Stilllegungen der Bauarbeiten als Risiko entstehen. Jeder involvierte Unternehmer müsste eine Beprobung durchführen, auch wenn es sich um ein und dieselbe Baumaßnahme handelt.


Zitat: »Es werden Kosten für den Veranlasser entstehen, Nachtragsforderungen, Streitigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sowie Verzögerungen der Baumaßnahmen sind zu erwarten.«

Die Anfragen und Unverständnisbekundungen zur neuen GefStoffV sind exorbitant sprunghaft in der Deutschen Gesellschaft für Sachverständigenwesen und Streitbeilegung angestiegen.


I. Es bedarf der Einordnung der kolportierten Mitteilungen

Soweit sich vorstehende Pressemitteilung ausschließlich auf Asbest bezieht, ist zunächst festzustellen, dass Asbest nur ein Gebäudeschadstoff unter vielen ist. In Gebäuden sind, auch wenn Asbest sicherlich in der Gesellschaft der prägendste Stoff ist, weitere Stoffe vorhanden, die nicht unter den Tisch fallen dürfen. Die Gefahrstoffverordnung bezieht sich nicht nur auf Asbest, sondern hat alle Gebäudeschadstoffe im Fokus.

Auszuweisen ist, dass als Veranlasser u.a. Gebäudeeigentümer, Verwaltungen, Unternehmen, Versicherungen, aber auch Mieter infrage kommen. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt hatte beispielsweise im August 2023 eine Asbest-Charta mit Forderungen aufgestellt. Konkret wurde ein Fünf-Punkte-Katalog eingefordert. [3]

  1. Asbest-Gebäudepass und Asbest-Kataster
  2. Sanierungs- und Abwrack-Prämie für Asbest-Häuser
  3. Nationaler Asbest-Gipfel von Bund, Ländern und Kommunen
  4. Informationsoffensive »Asbest auf dem Bau«
  5. Intensivere staatliche Arbeitsschutzkontrollen

Die Gewerkschaft wies in der Forderung aus, dass es ratsam wäre, den Eigentümern einen Schadstoffgebäudepass aufzuerlegen. Im europäischen Ausland ist dies in Form eines Schadstoffkatasters zum Teil bereits vollzogene Pflicht. Frankreich fordert einen verpflichtenden Schadstoffausweis für Gebäude ein, z.B. beim Verkauf eines Gebäudes.

In Deutschland existiert dahingehend keine Pflicht. Während mit Blick auf den Umweltschutz und den Energieverbrauch ein Gebäudeenergieausweis verpflichtend vorzulegen ist, ist bezüglich des Schutzziels gegenüber Gesundheitsgefährdungen in Verbindung mit Gebäudeschadstoffen kein Nachweis zwingend vorzulegen. 

Regelmäßig ergibt sich bei der Kaufberatung bei älteren Gebäuden seitens des Autors der zwingende Hinweis auf möglicherweise vorhandene Gebäudeschadstoffe. In Ermangelung von verpflichteten Nachweisen stellt sich bei den Interessenten natürlich die Frage, ob und wenn ja, in welchem Umfang und damit auch zu welchen Kosten, man sich mit dem Erwerb einer älteren Bestandsimmobilie »problematische Belastungen« einkauft. Selbst wenn die Interessenten willens sind, im Zuge des Kaufinteresses eine Befundung zu beauftragen und die Kosten hierfür selbst zu tragen, ist dies diametral sachlich nüchtern zu den Interessen der Veräußererseite zu beschreiben.

Dies liegt zum einen in der Tatsache, dass mögliche positive Probenfeststellungen dazu führen, dass das konkrete Kaufinteresse schwindet oder der erzielbare Verkaufserlös geschmälert wird. Zum anderen, dass eine Befundung im vermieteten Bereich ebenso wenig gewünscht ist wie damit zwingend zusammenhängende Eingriffe in die Bausubstanz und damit einhergehende Zerstörungen an Oberflächen.

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Erkenntnisse aus der Probenentnahme und damit verbundene Ergebnisse dann auch neuen Kaufinteressenten – über den konkreten veranlassenden Interessenten hinaus – zu offerieren wären. Ein Weglassen von Angaben zu belasteten Bauteilen wäre ein arglistiges Verschweigen und kann im Fall der Fälle bis hin zur Rückabwicklung des Immobilienkaufs sowie zu Schadenersatzforderungen führen.

Insofern wäre natürlich aus Sicht der Gebäudeeigentümer eine Pflicht zur Erstellung eines Gebäudeschadstoffkatasters mit erheblichen Risiken verbunden. Mit Bezug auf eine Immobilie ist auch der Umfang eines derartigen Katasters so zu bemessen, dass eine wertige Aussagekraft entsteht.

Diesbezüglich ist eine »scheibchenweise« Vorgehensweise einer Untersuchung sicherlich als verhältnismäßig anzusehen, wenngleich fraglich ist, wie alle Informationen irgendwann zu einem großen Ganzen zusammenzuführen sind. Hat man vor Augen, dass vor jeder Renovierung / Sanierung eines Raums eine Befundung vorgenommen wird, wird man im Ergebnis zu einem vollumfassenden Schadstoffkataster früher oder später gelangen können.


II. Gebot der Stunde

Eine Veränderung der Gefahrstoffverordnung ist aus objektiven Gesichtspunkten geboten. Die Beibehaltung der bestehenden Gefahrstoffverordnung und bisherigen Regelungen wurden geprüft. Dies war jedoch keine Option, getreu dem Motto »es muss sich etwas ändern«. Wesentliches Ziel der Änderung ist es, eine verbesserte Prävention von berufsbedingten Krebserkrankungen zu erzielen.

Ein honoriges, nicht diskutables Schutzziel für alle Bauschaffenden. Ebenso war es ausweislich der Unterrichtung des Bundesrats zur Verordnung ein Anliegen der Bundesländer, »die Vorschriften eindeutiger und besser vollziehbar zu gestalten«. Der gewissenhafte aufmerksame Leser unterscheidet hierbei zwischen den Begriffen »vollziehbar« und »nachvollziehbar«. [4]

Als sicher ist zu erachten, dass von einem erheblichen Umfang unsachgemäßen und unwissentlichen Umgangs mit asbesthaltigen Bauteilen beim Bauen im Bestand auszugehen ist. Die Drucksache 403/24 führt dies wortwörtlich an und der verständige Leser geht davon aus, dass die notwendige Veränderung nur das Ziel haben kann, dem unsachgemäßen und unwissentlichen Umgang mit asbesthaltigen und sonstigen belasteten Bauteilen entschieden entgegenzutreten und diesem nicht hinzunehmendem Umstand Einhalt zu gebieten. Dies steht in der Verantwortung unserer gesamten Gesellschaft und eint die Interessen von Eigentümern, Unternehmen, Mitarbeitenden usw.

Bedenkt man 16.000 asbestbedingte Tote und 30.000 anerkannte Berufserkrankte aus dem vergangenen Jahrzehnt (s. Fn. 5), wird deutlich, dass die Gefahren bei Arbeiten am Baubestand in Verbindung mit Schadstoffen tödlich enden können. Im Vergleich zu 1.837 Menschen [5], die im Jahr 2024 im Straßenverkehr getötet wurden, wird auch ersichtlich, dass es sich nicht um eine »harmlose« Restrisikobetrachtung handeln kann.


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