Abb. 2: Tiefgaragenabfahrt

Sabine Wirth, Stefan Wirth


Anwendbarkeit neuer technischer Regeln und Verordnungen der TGA in Gerichtsgutachten

Teil 3: Ist mit DIN EN 12056 und DIN 1986-100 ein Schutz vor Starkregenereignissen möglich? Bei vollständiger Beachtung der Regeln der Technik uneingeschränkt!


Der Sommer 2021 zeichnete sich durch eine Abfolge von Starkregenereignissen aus. Neben den dramatischen Flutschäden waren die Entwässerungsanlagen generell einer außergewöhnlichen Belastung ausgesetzt. DIN 1986-100 wurde bereits 2016 zur Anpassung absehbar erhöhter Starkregenereignisse zweimal neu aufgelegt. Nachfolgend wird aufgezeigt, dass kritische Details (Tiefgaragenabfahrten, innen liegende Regenwasserfallleitungen, innen liegende Rinnen, Lichtschächte, Kellerabgänge und Rückstauschutz) bei vollständiger Beachtung des technischen Regelwerks durchaus beherrscht werden können.


Definition Starkregenereignis

Der Deutsche Wetterdienst definiert ein Starkregenereignis als »große Niederschlagsmengen, die in kurzer Zeit fallen. Er ist in der Regel an hochreichende und intensive Konvektion (z.B. Cumulonimbuswolken) gebunden und tritt häufig im Zusammenhang mit Gewittern auf.« Dabei wird im Internetauftritt des Deutschen Wetterdienstes beispielhaft auf eine Regenspende von 25 l je Quadratmeter und Stunde verwiesen.

In DIN 1986-100 wird die Regenmenge zur Dimensionierung der Notüberläufe (r(5,100), Fünfminutenregen alle hundert Jahre, »Jahrhundertregenereignis«) mit ca. 500 bis 800 l/(sha) genannt. Dies entspricht einer Regenmenge von 15 bis 24 l je Quadratmeter. Ein Starkregenereignis kann daher unter Beachtung der DIN 1986-100 durchaus als »Jahrhundertregenereignis« interpretiert werden.

Wenn nun im Sommer 2021 eine besondere Häufung von Starkregenereignissen subjektiv beobachtet wurde, so ist dies nicht alleine auf eine Änderung meterologischer Randbedingungen (Stichwort »Klimawandel«) zurückzuführen. Die Definition des »Jahrhundertregenereignisses« in DIN 1986-100 bezieht sich nur auf einen Ort.

Dies bedeutet also nicht, dass bei Auftreten des »Jahrhundertregenereignisses« an einem Ort in Deutschland 100 Jahre kein derartiges Regenereignis mehr auftreten wird. Streng genommen kann bereits am Folgetag im Nachbarort ein »Jahrhundertregenereignis« beobachtet werden. Wegen der möglichen Missverständnisse dieser Definition wird nachfolgend nur noch der Begriff »Starkregenereignis« verwendet.


Kritische Details

Von einem Starkregenereignis sind insbesondere folgende Konstruktionen betroffen:

  • Rückstauschutz,
  • Lichtschächte und Kellerabgänge,
  • Tiefgaragenabfahrten,
  • Flachdächer.

Hinsichtlich des Schutzes eines Gebäudes vor Überflutung ist zwischen einem Starkregenereignis und einer Flut (HQ100) zu unterscheiden. Starkregenereignisse lassen sich mit vergleichsweise einfachen Maßnahmen beherrschen. Diese einfachen Maßnahmen sind Gegenstand dieser Veröffentlichung.

Für in hochwassergefährdeten Gebieten errichtete Gebäude sind zusätzliche Maßnahmen zu treffen. § 9 Abs. 1 Nr. 16 lit. b BauGB erlaubt die Festsetzung von Gebieten, »in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahme«. Die Festlegungen innerhalb der Bauleitplanung werden dabei eher genereller Natur sein.

Das Regelwerk zum Schutz eines Gebäudes wie z.B. VDI 6004 oder die Hochwasserschutzfibel wird dagegen eine Gefährdungsanalyse und einen darauf abgestimmten Maßnahmenplan fordern, der von niedrigen zusätzlichen Investitionskosten bei einem Risikotransfer (»Versicherungsschutz«) bis zu hohen Investitionskosten bei einem nahezu vollständigen Hochwasserschutz und gleichzeitiger Verhinderung eines Aufschwimmens des Gebäudes reicht. Diese Maßnahmen werden mit dieser Veröffentlichung nicht behandelt.


Rückstauschutz

Die Rückstauebene wird in der DIN 1986-100 seit 18 Jahren und davor in der DIN 1986-1 als Straßenoberkante an der Einleitstelle definiert. Sie stellt die Höhenkote dar, bis zu der sich Wasser in dem öffentlichen Kanalsystem bei Überlastung (Starkregenereignis, Hochwasser, Pumpenausfall oder Verstopfung) anstauen kann. Ohne Schutzmaßnahmen im Gebäude würde im Rückstaufall nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren das Wasser aus dem öffentlichen Kanalsystem bis in das Gebäude einströmen.

Die Entwässerungsstellen unterhalb der Rückstauebene würden eine Eintrittspforte für rückströmendes Wasser aus der Kanalisation darstellen. Die Regelmaßnahme zum Schutz vor Rückstau stellt die Installation einer Hebeanlage mit einer Rückstauschleife dar, die bis über die Rückstauebene verzogen ist.

Neben der Hebeanlage wird für untergeordnete Entwässerungsstellen normativ immer noch der Einsatz von Rückstauverschlüssen erlaubt. Allerdings findet sich in DIN EN 12056-4 der Hinweis, dass ein Rückstauverschluss eingesetzt werden kann, »wenn Gefälle zum Kanal besteht, die Räume von untergeordneter Nutzung sind, d.h.»dass keine wesentlichen Sachwerte oder die Gesundheit der Bewohner bei Überflutung der Räume beeinträchtigt werden«.

Damit scheiden Rückverschlüsse bereits als Maßnahme zum Rückstauschutz im Regelfall aus, weil das Gebäude als Sachwert betroffen ist. Ein Rückstauereignis wird regelmäßig hohe Kosten verursachen, weil es sich um mit Keimen oder Öl belas­tetes Wasser handelt. Übliche Trocknungsmaßnahmen scheiden in diesen Fällen aus.

Bis zum Erscheinen der DIN 1986:1978-09 waren lediglich tief liegende Räume gegen Rückstau zu schützen (siehe z.B. DIN 1986-1:1962-06, Abschnitt 14.1). Mit der Novellierung der DIN 1986-1:1978-09 wurde in Abschnitt 8.2 ein Rückstauschutz für alle Entwässerungsgegenstände mit einem Wasserspiegel im Geruchsverschluss unterhalb der Rückstauebene gefordert. Seinerzeit zeichneten sich die Entwässerungsgegenstände durch einen großvolumigen Anstauraum aus (WC, Waschtisch, Badewanne und Duschwanne mit hohem Einstieg).

Der Anstauraum stellte eine zusätzliche Sicherheit gegenüber einem Ausströmen von Abwasser im Rückstaufall dar. Diese Sicherheit wurde auch benötigt, weil bereits seit Langem bekannt war, dass für die Funktion der Entwässerungsgegenstände im Rückstaufall bei Vollfüllung der tief liegenden Leitungen Strömungsverluste entstehen. Diese Strömungsverluste erfordern einen Vordruck, der sich in der Größenordnung von 10 bis 30 cm Wassersäule bewegt.

In der Praxis wird sich dieser Vordruck dann als Anstauen des Wassers im Entwässerungsgegenstand realisieren ([6], dort ab S. 801). Im Normenkommentar zur aktuellen DIN 1986-100 wird auf diese zusätzliche Sicherheit zur Aufrechterhaltung der Funktion der Entwässerungsgegenstände auch ausdrücklich hingewiesen ([5], S. 224).


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