Im Rahmen der Objektplanung für das Gebäude ist ein Architekt grundsätzlich verpflichtet, einen hinreichenden Schutz der Fassade vor Spritzwasser im erdberührten Bereich vorzusehen. Er kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er nicht mit den Planungen der Außenanlagen beauftragt worden sei, weil ein Gebäude nicht von seiner Umgebung zu trennen ist; insoweit obliegen ihm zumindest Hinweispflichten gegenüber dem Bauherrn auf einen (bislang) fehlenden Spritzwasserschutz.
OLG Naumburg, Urteil vom 13.10.2021 – 2 U 29/20
Zum Sachverhalt
Die Kläger ließen ein Einfamilienhaus errichten. Im mündlichen Auftrag der Kläger erbrachten der Beklagte zu 2. Architektenleistungen und die Beklagte zu 1. Leistungen zur Herstellung eines Wärmedämmverbund-Systems – im Folgenden: WDVS – und Putzarbeiten und die Streithelferin zu 1. die Außenanlagen. Die Kläger begehren wegen behaupteter Mängel an ihrem Eigenheim von der Beklagten zu 1. u.a. einen Vorschuss für Mängelbeseitigungskosten sowie Schadensersatz und gegenüber dem Beklagten zu 2. Schadensersatz. Die Kläger beauftragten den Beklagten zu 2. mündlich mit der Planung und Bauüberwachung.
Der Beklagte zu 2. erstellte ein LV für ein »WDVS-System Putzarbeiten«. Eine weitere Detailplanung für das Aufbringen des Fassaden- und Sockelputzes erstellte der Beklagte zu 2. nicht, ebenso wenig wie eine Detailplanung zur Attikaabdeckung. Das Architektenhonorar des Beklagten zu 2. haben die Kläger bis auf einen Betrag von 2.618,00 Euro beglichen. Die Kläger rügten während der Gewährleistungszeit diverse Mängel an den Werkleistungen, u.a. Putzabplatzungen im Sockelbereich des WDVS und einen fehlenden Schutz der Perimeterdämmung.
Der von den Klägern beauftragte Privatsachverständige führte in seiner gutachterlichen Stellungnahme aus, dass der Außenputz insgesamt fehlerhaft hergestellt sei. Im Spritzwasserbereich gebe es auch keinen wasserabweisenden Sockelputz. Der Beklagte zu 2. hat bestritten, dass ihm Planungs- und Überwachungsfehler vorzuwerfen sind und meint, dass allenfalls die Beklagte zu 1. handwerkliche Fehler begangen hätte. Die Abdichtungsmaßnahmen der erdberührten Bereiche im Sockelbereich lägen im Verantwortungsbereich des Unternehmens, das die Außenanlagen errichtet habe, also der Streithelferin zu 1. Die Kläger hätten die Außenarbeiten aber erst nach Beendigung der Leistungen des Beklagten zu 2. ausführen lassen. Der Architektenvertrag des Beklagten zu 2. habe sich auf das Gebäude beschränkt.
Das Landgericht hat – nach einer Beweisaufnahme mit einem gerichtlich beauftragten Sachverständigen – das Bauunternehmen, die Beklagte zu 1., zur Zahlung eines Mängelbeseitigungsvorschusses und den Architekten, den Beklagten zu 2., zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Beide Beklagten haben Berufung eingelegt.
Betrachtet werden soll hier aber nur die Berufung des Beklagten zu 2., der u.a. auch meint, dass er nach dem Vertrag die Planung der Außenanlagen nicht geschuldet habe und deshalb nicht für Schäden verantwortlich sei, die durch die Erdberührung mit den nachträglich hergestellten Außenanlagen entstanden seien. Damit kann er das OLG nicht überzeugen.
Aus den Gründen
Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2. hat in der Sache keinen Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2. auf Schadensersatz in Form eines zweckgebundenen Vorschusses für die Mängelbeseitigungskosten aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB in Höhe von 29.180,11 Euro. Die Kläger und der Beklagte zu 2. schlossen einen mündlichen Architektenvertrag, aufgrund dessen der Beklagte zu 2. das zu errichtende Einfamilienhaus der Kläger planen und die Bauüberwachung erbringen sollte.
Dem Beklagten zu 2. sind Pflichtverletzungen bei der Erbringung der Leistung vorzuwerfen. Das Landgericht hat zutreffend Mängel am Einfamilienhaus der Kläger festgestellt, die auf Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2. beruhen. Unter anderem der fehlende Spritzwasserschutz im Sockelbereich und der fehlende Schutz der Fassade im erdberührten Bereich sind Mängel des Werks, die auf Planungsfehlern des Beklagten zu 2. beruhen. Dies hat das Landgericht zutreffend festgestellt.
Das Landgericht hat sich zutreffend auf die Ausführungen des Sachverständigen gestützt, der überzeugend ausgeführt hat, dass es einer Architektenplanung für den Sockelbereich bedürfe und dass sich dies aus der Richtlinie Fassadensockelputz / Außenanlagen, Ausgabe 2004, ergebe. Eine solche Planung hat der Beklagte zu 2. aber nicht erstellt; jedenfalls ist weder dem Sachverständigen noch später im Rechtsstreit eine Planung vorgelegt worden. Der Beklagte zu 2. kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er keine Planung für den Spritzwasserschutz und die erdberührten Teile zu erbringen gehabt habe, weil er mit der Planung – und Überwachung – der Außenanlagen nicht beauftragt worden sei.
Denn unzweifelhaft ist ein Gebäude nicht von seiner Umgebung zu trennen. Der Planer eines Gebäudes muss deshalb auch die Einbindung des Gebäudes in seine Umgebung berücksichtigen. Der Beklagte zu 2. hat offenbar auch eine Planung für erdberührte Bereiche erbracht. Es gab unstreitig eine Perimeterdämmung und wasserdichte Kellerwände. Diesbezüglich gibt es zwar keine Mängelrügen der Kläger und der Sachverständige hat hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Dies zeigt aber, dass der Beklagte zu 2. von einer Einbindung des Gebäudes bis zu einer bestimmten Höhe ausgegangen ist.
Dann hätte er aber auch den Spritzwasserschutz in einer weiteren Höhe von 30 cm ab der Oberkante des Geländes planen müssen und – wenn er ihn geplant hätte – dessen Ausführung überwachen müssen. Soweit der Beklagte zu 2. meint, dass dies Aufgabe des mit der Herstellung der Außenanlagen beauftragten Unternehmers gewesen sei, hätte es zumindest eines Hinweises an die Kläger bedurft, dass der Spritzwasserschutz weder geplant noch ausgeführt worden sei.
Der Sachverständige hat plausibel und nachvollziehbar die Hauptverantwortung beim Architekten gesehen. Eine Übertragung der Ausführung des Spritzwasserschutzes auf den Unternehmer für die Außenanlagen sei möglich, müsse aber angesprochen werden. Ebenso hätte es eines Hinweises bedurft, von welcher Geländeoberkante der Beklagte zu 2. ausgegangen ist. Wenn ein solcher Hinweis erfolgt wäre, wäre das Heranführen von Kies und Platten an den Putz des Hauses dem Unternehmer für die Außenanlagen, jedenfalls nicht dem Beklagten zu 2. anzulasten.
Einen solchen Hinweis behauptet der Beklagte zu 2. aber selbst nicht, weil er der Meinung ist, für die Außenanlagen und damit auch für die Berührung mit dem Gebäude nicht zuständig gewesen zu sein. Es geht entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2., die er mit der Berufungsbegründung vorgetragen wird, nicht darum, dass er den Unternehmer für die Außenanlagen nicht hinreichend überwacht habe, sondern darum, dass er seinen eigenen Planungspflichten bzw. Hinweispflichten hinsichtlich der Einbindung des von ihm geplanten Gebäudes in das Gelände nicht nachgekommen ist.
Ein Mitverschulden der Kläger hinsichtlich der Schäden im Sockelbereich liegt nicht vor, da sie nur aufgrund des Hinweises des Beklagten zu 2. den Unternehmer für die Außenanlagen auf die vom Beklagten zu 2. geplante Oberkante der Höhe des Gebäudes und den fehlenden Spritzwasserschutz hätten hinweisen müssen. Soweit die Beklagte zu 1. nur in einer Höhe von 10 cm Nachbesserungsarbeiten am Sockel vorgenommen und einen Spritzwasserschutz aufgetragen hat, ist dieser nicht ausreichend, weil er in einer Höhe von 30 cm zu erfolgen hat.
Anmerkung
Auch zu den Planungsleistungen des Architekten bezüglich eines WDVS hat das OLG lesenswerte umfangreiche Ausführungen gemacht. Das WDVS an der Fassade des Einfamilienhauses der Kläger war im vorliegenden Fall mangelhaft, da die Putzstärken des Unterputzes / Armierungsputzes und des Oberputzes sowie die Lage der Gewebeeinlage nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht den technischen Anforderungen, insbesondere auch nicht der bauaufsichtlichen Zulassung, entsprach. Das OLG hat auch insoweit festgestellt, dass die Mängel des WDVS auf einer Überwachungspflichtverletzung des Architekten beruhten.
Grundsätzlich gilt: Der die Bauaufsicht führende Architekt hat dafür zu sorgen, dass der Bau plangerecht und frei von Mängeln errichtet wird. Er ist dabei nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. Er muss allerdings die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Bei wichtigen oder kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet. Besondere Aufmerksamkeit hat der Architekt auch solchen Baumaßnahmen zu widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben.
Handwerkliche Selbstverständlichkeiten bei allgemein üblichen gängigen Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, muss der Architekt grundsätzlich nicht im Einzelnen überwachen. Bei der Herstellung eines WDVS geht es aber nicht um bauliche Leistungen einfacher Art, sondern um ein technisch anspruchsvolles, kompliziertes und – so das OLG – »sensibles« Gewerk, das neben Windkräften auch thermischen Faktoren ausgesetzt ist und das deshalb zur Vermeidung von Rissen und insbesondere zur Gewährleistung der Standsicherheit einer besonderen Fixierung bedarf.
In der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung wird das einzuhaltende Vorgehen detailliert beschrieben. Es ist darauf zu achten, dass die Zulassungsvorgaben strikt eingehalten werden. Zwar gelten Putzarbeiten allgemein als nicht besonders überwachungsbedürftig, weil es sich bei dem Aufbringen von Putz grundsätzlich um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit handelt, was allerdings nur dann eine Rolle spielt, wenn es um optische Fragen geht, während die Putzstärken bei einem WDVS auch wegen der eingebetteten Gewebeeinlage wichtig für dessen Funktion sind. Aus diesem Grund muss insoweit von einer Überwachungspflicht des Architekten auch hinsichtlich des Putzes eines WDVS ausgegangen werden.
Soweit der Architekt im vorliegenden Fall eingewandt hat, dass die Stärke des aufgebrachten Putzes während der Ausführung der Putzarbeiten durch den Unternehmer nicht überprüft werden könne, weil der Putz eine breiige Konsistenz habe, weshalb an einem Messinstrument nach dem Herausziehen aus einer Putzschicht nichts Genaues abzulesen sei und zudem durch das Eindrücken eines Messinstruments das in der Putzschicht eingebettete Gewebe in Richtung der Dämmplatten verschoben und dadurch ein Mangel verursacht würde, hat das OLG diese Argumentation zwar in der Sache als zutreffend unterstellt, dies aber nicht als entlastend für den Architekten bewertet. Denn daraus ergibt sich nur, dass eine Kontrolle der konkreten Putzstärken während der Ausführung möglicherweise schwierig ist.
Dennoch ist eine – jedenfalls stichprobenartige – Kontrolle vor und auch während der Ausführung der Putzarbeiten des Unternehmers durch den Architekten möglich und geboten. Denn der Architekt kann zunächst kontrollieren, ob das ausführende Unternehmen das richtige Material einsetzt und auch ausreichende Mengen der jeweiligen Putzmasse für die zu verputzenden Flächen vorgesehen hat. Es ist aber wegen der einzuhaltenden Mindeststärken genauso erforderlich zu kontrollieren, ob der Unternehmer geschultes Personal einsetzt, das zudem mit den richtigen Werkzeugen arbeitet.
EMMP
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