BauSV 3/2023


Baurecht

Warum ist die Wohnfläche so wichtig?
Abb. 1: Anrechnung von Grundflächen unter Dachschrägen

Carsten Nessler


Warum ist die Wohnfläche so wichtig?

Hinweise zur Wohnflächenberechnung


Die Wohnfläche wird fast immer für die Angaben der Größe von Wohnungen und Häusern angegeben. Da ist es auf der einen Seite zwar wichtig, wie viele Räume die Immobilie hat – und natürlich am Ende des Tages die Frage: Bekomme ich mein Bett, meine Kommode, meinen Schrank usw. an diese oder die andere Wand gestellt? Interessanterweise können sich viele Menschen unter »4,74 m x 3,17 m« weniger vorstellen als unter der Beschreibung »zirka 15 m2 groß«.

Wobei auch das falsch ist: Meistens kommt es Mietern und Käufern auf die Gesamtzahl an – also z.B. 4 Zimmer, 120 m2. Hier ist dann »mehr Fläche« immer besser. Wirklich immer? Auch das stimmt nicht. Noch nie habe ich so viele Anfragen bekommen wie im letzten dreiviertel Jahr, bei denen man mich gefragt hat, welche Flächen man denn vielleicht noch aus der Wohnflächenberechnung herausnehmen könne, weil es ja jetzt um die neue Grundsteuer gehe.


Wohnfläche ist Wohnfläche – unabhängig vom Auftraggeber

Und jetzt kommt's! Die ermittelte Wohnfläche ist immer dieselbe, egal ob dies durch den Vermieter, den Mieter, den Verkäufer, den Käufer, den Bauträger oder durch den Steuerpflichtigen in Auftrag gegeben wird! Hier gibt es kein »Wünsch-Dir-was«!

Und hierdurch entsteht dann manchmal ein Streit, wie groß die Immobilie denn nun eigentlich ist – also die Wohnfläche. Um das zu belegen, werden dann meist falsche Informationen herangezogen, so z.B. alte Grundrisse oder Flächenberechnungen. Aber ein Plan ist das, was man vorhatte, man streitet sich aber über die tatsächliche Fläche, die vorhanden ist oder eben nicht!


Wissen Sie, was das ist: 4 ZKBB, 120 m2 Wohnfläche?

Eine Beschaffenheitsvereinbarung! Eine Vierzimmerwohnung, nebst Küche, Bad, Balkon, mit insgesamt 120 m2 Wohnfläche. Das ist das Versprechen, wie die Wohnung aussieht oder auszusehen hat. Da ein Immobilienerwerb in der Regel die größte Investition des Lebens ist, sind Käufer bei Abweichungen hiervon sogar bereit, bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) zu ziehen! Bei Mietern ist das nicht anders – wer mag schon mehr bezahlen als er bekommt; das ist beim Metzger nicht anders als in der eigenen Mietwohnung. Und deshalb ist es so wichtig, die korrekte Wohnfläche im Vertrag zu haben!

Bei Abweichungen von der Wohnfläche kann dies einen Mangel der Miet- oder Kaufsache darstellen, mit entsprechenden Ersatzforderungen durch Mieter oder Käufer. Hierbei hat der BGH zur Mietminderung bei erheblicher Wohnflächenabweichung die Zahl von 10% in den Raum gestellt:

»Weist eine gemietete Wohnung eine Wohnfläche auf, die mehr als 10% unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, stellt dieser Umstand grundsätzlich einen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, der den Mieter zur Minderung der Miete berechtigt. Einer zusätzlichen Darlegung des Mieters, dass infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist, bedarf es nicht.«

Die vereinbarte Wohnfläche ist Teil der vertraglich festgelegten Sollbeschaffenheit der Mietsache. Ein erheblicher Flächenmangel spricht für eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit. Liegt die tatsächliche Wohnfläche erheblich unter der vertraglich vereinbarten, so ist die Tauglichkeit der Wohnung gemindert. Ein Sachmangel wird auch bei einem Vertrag über den Kauf oder die Errichtung einer Immobilie bei einer Unterschreitung der Wohnfläche von mehr als 10% anerkannt.

Die in einem Wohnraummietvertrag angegebene Wohnfläche beinhaltet sogar bei einer ca.-Angabe eine vertragliche Festlegung der Sollbeschaffenheit der Mietsache im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung. Ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung infolge Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle liegt dann vor, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10% unter der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche liegt.

Für den Bauträgervertrag hat der BGH entschieden, dass die Wohnflächen zu den zentralen Beschaffenheitsmerkmalen des vom Bauträger geschuldeten Objekts gehören. Fehlen in einem Erwerbervertrag Angaben hierzu, sind die einseitigen Vorstellungen des Erwerbers für den Inhalt des Vertrages maßgeblich, wenn der Bauträger in eigener oder zurechenbarer Kenntnis des Willens des Erwerbers den Vertrag abschließt.

Gleiches gilt beim »Erwerbsvertrag über eine neu zu errichtende Eigentumswohnung«: Auch wenn der BGH den Begriff der »Wohnfläche« für auslegungsbedürftig hält, gilt auch bei der Wohnfläche einer Dachgeschoßwohnung die 10%-Grenze. Ist die Wohnung mehr als 10% kleiner als nach dem Werkvertrag geschuldet, so liegt hier ein Fehler vor, der den Erwerber zur Minderung der Vergütung berechtigt, auch wenn die Größe nicht zugesichert war.


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